Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

erkannten Sachen. In der Literaturgeschichte wird gesäubert, da werden Epochen heraus gearbeitet, nachträglich werden Entdeckungen gemacht. Dann merkt man, das ist ver fälscht, das stimmt gar nicht. Da gibts dann die Klassik und die Romantik und derlei . . . H: . . . Aufhänger, die eigentlich verzerren, was als reale Entwicklung nicht adäquat darge stellt werden kann. F: Das ist es, wovor ich ziemliche Scheu habe, immer mehr. Man kann diesem EingeordnetWerden nicht entgehen. Die gehen her, und nur weil etliche Leute angefangen haben, über Arbeitsbedingungen zu schreiben, weil sie die Menschen auch während ihrer Arbeitszeit dargestellt haben, hat man sofort den Begriff ,,Literatur zur Arbeitswelt" geschaffen. Das ist ein ziemlich wilder Begriff, eigentlich langweilig. Arbeitswelt, wen interessiert das schon? Das ist ein Spezialfach, da wird man zugeordnet, ob man will oder nicht. Das wird aus einer ganz bestimmten Absicht gemacht. H: . . . Entschärfungsabsicht. F: Ja, sicher. Das wird ad acta gelegt. Das ist auch gelungen. Ich merke das an Schriftstel lern, die dann anderen Tendenzen nachgeben. Denen wird gesagt, schreibt doch einmal was Lustiges, was Unbefangenes, wir bringen das groß raus. Auf die Dauer wirkt das. Man glaubt das und sagt sich, ich hab das falsch gesehen und muß was anderes schreiben. Es gibt dagegen wenig Mittel. Man kann das attackieren . . . aber man muß auf sich selbst auf passen, daß einem nicht das nötige Bewußtsein abhanden kommt. Man ist diesen Einflüssen ja immer ausgesetzt. H: . . . ständige Wachsamkeit . . . F: Man ist nicht immer wachsam. Die Wachsamkeit kann durch Schreiben .wieder kommen. Durchs Schreiben seh ich dann ganz genau. Da ist man gezwungen, das klar zum Ausdruck zu bringen. Man erinnert sich. Schreiben kann einiges zum Vorschein bringen. H: Den Trends, die gefährlich sind, weil sie künstlich produziert werden, bist du glücklich ausgekommen. Aber dein erstes Buch war eigentlich ein Trendmacher. F: Ich glaube, das ist nicht so sehr das Buch. Es sind die Begleiterscheinungen, die die Leu te beeinflussen, etwas nachzuahmen. Die sehen, das geht, das kommt an. Das machtsaus. Manche identifizieren sich auch mit der Art, wies geschrieben ist. Mit der Geschichte. Es ist jahrelang gegangen, daß die Verlage Manuskripte mit Nachahmungen von Thomas Bern hard bekommen haben. Das ist etwas, was man gut nachahmen kann. Diese hoffnungslose Sicht. Da nimmt man sich etwas \ or und sagt, das ist jetzt alles aussichtslos. Ich hab das oft erlebt in Schulen, das deckt sich mit ihrer Sicht. Die haben Idealismus und merken, das ist ja alles nicht zu verwirklichen. H: Das ist dann der Hintergrund der eigenen depressiven Stimmung, die aus einer realen Hoffnungslosigkeit heraus entstehen kann. Deine eigene Einstellung zur Hoffnung interes siert mich. Deine Bücher sind in gewissem Sinne ja auch hoffnungslos. Die Hoffnung be steht eigentlich darin, daß du eine Entwicklung dokumentierst. Wie wandelt sich deine Hoffnungshaltung? Wandelt sie sich? F: Das ist schwer. Die Leute, auf die ich gesetzt habe, sind mehr oder weniger zum Unter gang verurteilt. Das sehe ich ziemlich deutlich. H: Das sind Leute, die angefangen hatten, sich zu wehren. F: Ja. Aber die haben zwei Möglich ceiten. Die eine ist, daß sie den üblichen Anpasserweg gehen. Die zweite Möglichkeit ist, einsamer Idealist zu bleiben. H: Und zwangsläufig auf verlorenem Posten zu stehen, weil ohne geringste gesellschaftliche Wirksamkeit nichts zu machen ist. F: In unserer gegenwärtigen Gesellschaft sehe ich wenig Hoffnung für die Verwirklichung von Idealen. Ich glaube nicht, daß das ewig so sein muß, aber zur Zeit ... Es ist ja eine an dere gesellschaftliche Situation. Wesentliche Dinge fallen weg. Früher haben zum Beispiel Arbeiter noch für bestimmte Sachen gekämpft. Jetzt ist davon nichts mehr da. Man kann ja 41

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