Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

H; Das Problem, die Menschen zu erreichen. F: Wenn Leute Bücher von mir lesen, die früher — na ja — eigentlich ziemlich kitschige Sa chen gelesen haben, und die, zum Beispiel durch Buchgemeinschaftsausgaben, erkennen, daß das auch sie betreffen könnte, ist das ein Schritt in diese Richtung. Ich kann aber nicht alles so schreiben, daß sie es verstehen. Es gibt Bereiche, wo Türen sich schließen. Sobald das eine Universität ist, können solche Menschen meist nicht mehr folgen. Mir tut das leid, aber ich kann darüber nicht hinweg. H: Sprichst du jetzt von den „Großen Wörtern"? F: Eigentlich nur über den Schluß. Einige Leute haben verstanden, worum es geht. Im Ver lag hat es zum Beispiel niemand verstanden. Die haben damit nichts mehr anfangen kön nen. Aber bestimmte Leser haben das sehr wohl begriffen. Die für den indoktrinären Mar xismus sind, zum Beispiel. Die haben entsprechend gekontert und gesagt, ich hätte den Marxismus nicht begriffen. Das hat mich aber letztlich bestärkt in meinem Gefühl der Richtigkeit. Es gibt andere, die reagieren auf sowas nicht mehr. Die wissen nicht, was das soll. Da ist einfach zuviel vorausgesetzt. Über das gehen viele Leute hinweg. H: Da entsteht ein Dilemma zwischen Anliegen und Verständlichkeit. Wenn sich das Anlie gen wandelt . . . F: Ich weiß nicht, obs nicht doch gelänge. Wenn man solche Dinge länger und länger bear beitet, wird man auch wieder Möglichkeiten finden, um das allgemeinverständlich auszu drücken. Mir fällt da ein, wie Kriminalschriftsteller arbeiten. Die haben ja ihren Kriminal roman nicht im Kopf und schreiben das einfach hin, sondern die haben irgendeinen Einfall. Ich weiß von einigen, die überarbeiten ihre Sachen dreißig,vierzigmal. Die fangen an und dann tauchen überraschend Figuren auf. Anderes wird wieder gestrichen, und so entwickelt sich langsam die Geschichte. Ein Kriminalroman muß logisch sein, das gilt in gewissem Sinn für alle Literatur. Auch hier ist eigentlich wieder das Anliegen entscheidend. Wenn es stark genug ist, wird man auch die entsprechende Mühe auf die Klarheit verwenden. Ich bin je denfalls von der Motivation abhängig. Ich kann nicht schreiben, weil es grad günstig wär. Oft überschneidet sich dann, was im Moment interessiert und in den Medien herumgeistert und das, was mich interessiert. Daraus entwickelt sich ein kleines Dilemma, denn die, wel che die Publikationsmechanismen bestimmen, gehen mit diesen Tendenzen. H: Du hast deine Widerborstigkeit, in frühen Jahren erworben, auch in diesem Bereich be wahrt und dich diesen Trends und dem übermächtigen Lektorat entzogen — bisher. F: Bisher schon. Na ja, nicht ganz. Ein Gönner von mir, ein Universitätsprofessor in Italien, der hat vom zweiten Buch vor kurzem das Originalmanuskript gelesen und mir dann ganz begeistert erzählt, um wieviel besser das wäre wie das, was im Buch steht. Was als Buch dann rausgegangen ist, das war überarbeitet. H: . . . von dir überarbeitet . . . F: ... ja, von mir und einem Lektor. Ohne Lektorat wärs überhaupt nicht gegangen. Aber dem Ding war eine gewisse Frische genommen. Ich werde wahrscheinlich später einmal das Original rausbringen, nur um zu zeigen, was der Unterschied ist. Das sind Sachen, die die im Lektorat immer wieder vermiesen. Das fängt an mit der Grammatik. Für die ist die Du dengrammatik maßgeblich. In meinem Verlag ist der Lektor ein Norddeutscher, da gibt es schon sprachlich ziemliche Differenzen. Da streitet man oft, ist das jetzt die Vergangenheit, oder soll das in der Vorvergangenheit stehen. Laut Duden ist das genau geregelt. Da gibts aber auch Dinge ... da ist der Duden der verdammte und das andere ist. . . Der Duden exi stiert ja auch nur, weil sie nachträglich alles sammeln. Nachträglich wird sowas dann erar beitet. Beispiele werden zwingend, die gar nicht originell sind. Inzwischen weiß man ja, daß noch nicht die ganze Literatur publiziert ist. Es gibt sehr viel, was man zur Literatur rechnen kann, zu den Kriterien, die Literatur ausmachen, die unsichtbare Literatur. Das fällt eben diesen Reglements zum Opfer. Jetzt berufen die sich aber auf die öffentlich an40

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