Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

macht, einige von den letzteren wurden von der Bevölkerung geschützt und verborgen. Ende Jänner 1945 liegen entlang der Bahnstrecke Wels — Grieskirchen fünfzehn Leichen, „z. Teil Juden, alle in halbnacktem Zustand [. . .] Personen, die erfroren sind" und ganz einfach aus dem Zug geworfen worden waren. Dieser Vorgang hatte „begreiflicherweise in der Bevölke rung Unwillen erregt.''^^ In und um Hartheim lieferte die Einwohnerschaft mehr als ein mal den Beweis über Kenntnis der Ereignisse hinter den Schloßmauern.^ ^ Und an diese Aufzählung ließen sich noch viele Beispiele, besonders Beweisstücke aus dem DÖW, an schließen, die in summa zeigen, daß Terror und Verbrechen nicht im luftleeren Raum, d.h. unter Ausschluß der Bevölkerung, ausgeübt wurden. Wie verhielten sich die Angeklagten vor Gestapo und Gericht? So mancher zeigte sich plötzlich vollständig geläutert und stand positiv zum System. „Ich bin wirklich kein Geg ner des Nationalsozialismus, im Gegenteil, er gefällt mir, denn ich habe ja ein größeres Ein kommen als früher", heuchelte jener, der wegen einer schlechten Virginia in Rage gekom men war („Wenn sie keine besseren Virginia herstellen können, sollen sie das Kriegführen gut sein lassen"). Ganz überzeugt war dieser Mann von seiner Verteidigung nun auch wieder nicht, denn zu seinem geläuterten Bekenntnis zum System fügte er hinzu: „Wenn die Zeu gen behaupten, ich hätte die oben näher dargestellte Äußerung gebraucht, so erkläre ich, daß ich halt dann nichts machen kann."i ^ Viele, wie folgender Schwarzhörer aus Grafenbuch, Bezirk Vöcklabruck, kannten zwar die Bestimmungen, nahmen sie aber nicht ernst. „Das Verbot über das Abhören war mir be kannt. Wenn ich trotzdem bis etwa Ende Oktober Auslandsnachrichten in deutscher Spra che angehört habe, so habe ich mir nichts weiter gedacht."!'^ Auch die vier Frauen aus dem Bezirk Kirchdorf an der Krems, die den weit verbreiteten Spruch „Wir wollen keinen Krieg, wir wollen keinen Sieg, wir wollen ein freies Österreich und eine schöne Hitlerleich" kolportierten, hatten sich beim Weitergeben dieser Parole weiters „nichts gedacht",' ^ doch weil die Äußerung in eine Zeit fiel (1940), in der das deutsche Volk „den schweren Kampf um seinen Bestand" führte, mußten sie mit strafverschärfenden Maßnahmen rechnen. Die soziale Stellung eines Angeklagten im Ort entschied mitunter das Ausmaß des Strafsatzes: „Wegen der besonderen Stellung, die ein Arzt in einem Landort infolge seiner höheren Bil dung und Intelligenz einnimmt, haben seine Äußerungen besonderes Gewicht."'" In der Mehrzahl der Gerichtsfälle, die heimtückische, abträgliche Äußerungen betrafen, re den sich die Ängeklagten mit mehr oder weniger Geschick heraus oder streiten jedweden Tatbestand ab, geben, wenn die Äußerung im Wirtshaus fiel, Trunkenheit vor, so daß ein Teil der Verhandlungszeit und Befragung der Klärung der Frage diente, wie betrunken der Ängeklagte im Äugenblick seines Vergehens wirklich war. Frau M. W., welche dem kleinen Ädolf Tierquälerei vorgeworfen hatte, bestritt, „sich in abfälliger Weise über den Führer ge äußert zu haben, vielmehr habe sie anerkennende Worte über den Führer gesprochen und erklärt, er habe bereits in seiner Jugend gesagt, er wolle etwas Großes werden oder gar nichts." Erst im nachhinein gab sie ihre Behauptung zu, „der Führer habe in seiner Jugend am 'Viecherschinden' seine Freude gehabt."'^ Jener Bauer K. S. aus Ostermiething, der eingangs mit seinen Pinzgauern zitiert wurde, hatte nie die Äbsicht, den Ortsgruppenleiter und Ortsbauernführer zu beleidigen. „Es ist überhaupt meine Ärt", erklärte er mit Bauern schläue dem Gendarmeriepostenkommandanten, ,,daß ich die Kühe gerne mit dem Äusdruck 'braune Krüppel' beschimpfe. Beide sind braun und könnte daher keinen anderen Schimpfnamen wählen."'^ Dem "Herrn Karl" begegnet man auf Schritt und Tritt in den Äkten, also jenem Typ, der immer wußte, wann er auf einen bestimmten politischen Zug auf- bzw. von diesem absprin gen mußte. Hier ist tatsächlich ein Herr J. K. aus Ältheim, der „vor dem Umbrüche, und zwar zur Systemzeit, den Änschein eines Christlichsozialen erweckte, vor dieser Zeit aber sozialdemokratisch, wenn nicht kommunistisch, orientiert war. Eine offene Betätigung 31

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