Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

, ... so habe ich mir weiter nichts gedacht.' Die Frage, wieviel die Leute, also im speziellen Fall die Oberösterreicher, von den Vorgän gen in Mauthausen, Hartheim etc. wußten, ist nach wie vor aktuell. Untersuchungen und Befragungen, wie sie die Angloamerikaner in Dachau oder im Zusammenhang mit den Ein wirkungen des Strategischen Bombardements auf die Moral der deutschen Zivilbevölkerung unmittelbar nach Kriegsende, als die Eindrücke noch frisch waren, anstellten, wurden in Mauthausen nicht gemacht. Heute versucht mit viel Mühe und viel zu spät ein amerikani scher Dissertant etwas Licht in dieses Kapitel zu bringen. Peter Kammerstätter aus Linz stellte 25 Jahre nach Kriegsende Interviews mit Bewohnern und Augenzeugen entlang der Route der Mauthausener Todesmärsche nach Gunskirchen an und sammelte Material über die Leiden, aber auch über die Hilfeleistung der Einheimischen für diese Opfer.^ Volksge richtsprozesse nach dem Krieg trugen ebenfalls ihren Teil zur Klärung dieser Fragenkom plexe bei. Von den Verbrechen drang nichts in die offiziellen Zeitungen jener Tage, also in die Tages-Post und Volksstimme bzw. Oberdonau-Zeitung. Wenn von Mauthausen über haupt die Rede ist, dann beispielsweise über den Steinbruch und die dort aufgefundene Mammutjägerstation.2 Liest man die Lokalseiten dieser Zeitungen über längere Strecken, so entsteht der Eindruck, als unterschieden sich diese Gazetten wenig von den heutigen. Gewiß, da gibt es auf der Titelseite die Kriegsberichte, die Namenslisten von denen, die auf dem „Feld der Ehre" blieben, da gibt es zur Abschreckung gelegentlich eine Reportage über ein Todesurteil wegen Schwarzschlachtens, Schwarzhörens oder Desertion — und be zeichnenderweise oft aus anderen Teilen des Reiches —, da gibt es mit zunehmender Kriegs dauer die verstärkt aufscheinenden Beruhigungspillen wie heimatkundliche Berichte von Feuersbrunsten, vom Goldwaschen im Mühlviertel oder von Kepler, von diesem ganz be sonders. Der Verfasser fand jedoch keine Zeile über die oberösterreichischen Terrorstätten. Einige Dokumente wurden bereits zitiert, in denen lokale Funktionäre mit Einweisung in ein Konzentrationslager drohten.-' Auch Gauleiter Eigruber hielt mit ähnlichen Drohungen in der Öffentlichkeit nicht zurück.'' Der österreichische Beobachter fände es für einen Volksgenossen aus Eberschwang „ganz heilsam", wenn dieser „innerhalb des Mauthausener Zaunes daheim wäre",' und dann gibt es Bürger, die auf keinen Fall einrücken wollen und eher „in das Zuchthaus und, wenn es sein muß, auch nach Dachau" gehen'' oder den Füh rer selbst dorthin wünschen.^ J. St. aus Gusen hatte als Zivilarbeiter in KZ Mauthausen zu tun und erzählte nachher im Wirtshaus zu viel über seine Eindrücke im Konzentrationsla ger.'' Bekannt geworden ist die Beschwerde der Bäuerin E. G. aus Ried in der Riedmark, die ein Grundstück nächst dem Wienergraben im Arbeitsbereich des Konzentrationslagers hatte, ungewollt Zeugin von "Untaten" wurde und wegen ihrer kränklichen Verfassung um Abstellung derselben bat." Grundsätzlich läßt sich aus solchen Beweisen ableiten, daß Mauthausen oder Dachau für et was standen, wo — gelinde gesagt — einem das Fürchten gelehrt wurde. Die Geistesverfas sung in jener Zeit war allerdings eine komplexe und verdrehte; das zeigt allein schon jenes Aktenbündel über einen Mann aus dem Salzkammergut, dessen geisteskranker Sohn in Hartheim endete; dieser Mann war grundsätzlich positiv (im Sinne der Nazis) zur Euthana sie eingestellt, doch seinen Sohn betrachtete er noch nicht als krank genug, um ihn beseiti gen zu lassen und deshalb protestierte er, freilich vergeblich.'° Wer Verbrechen sehen woll te, sah sie aller Wahrscheinlichkeit nach; umgekehrt wurden ans Überleben genug Anforde rungen gestellt, so daß es relativ leicht war, abzuschalten. Die Konfrontation mit Terror und Verbrechen war auch in den verschiedenen Stadien des Krieges, der selbst zur Brutalisierung genug beitrug, verschieden stark und gewiß sehr intensiv gegen Kriegsende: Anläß lich der „Mühlviertler Hasenjagd", der Jagd auf die zirka 500 entkommenen Mauthausener KZ-Häftlinge, hatten Leute, Mühlviertler zumindest, mit KZ-Häftlingen Bekanntschaft ge30

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