Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

erwähnen, wonach „Äußerungen von tiefstem Mittelalter und ähnliches" gefallen seien. Nicht genug mit einer Anprangerung dieser Dienstmagd, sie wurde anschließend in den Lo kalblättern Oberösterreichs „zum Zwecke der Abschreckung" in der Rubrik Am Pranger noch ein zweites Mal abgekanzelt — aber diesmal wenigstens nicht mehr angespuckt wie vor dem Fabrikstor zu Steyr.^ i Dem österreichischen Beobachter, dem „Traditionsblatt der alten Kämpfer", blieb die wahrscheinlich gemeinste Diffamierung von solchen Frauen vorbehalten. Im Dezember 1940 werden unter der Titelzeile Der Schandpfahl die Fotos von vier Linzer Frauen mit eindeutigem Kommentar veröffentlicht^ ^ (siehe Illustration). Die öffentlichen Anprangerungen nahmen zwar nach 1942 ab, das Problem des verbotenen Umgangs blieb aber bestehen, und für die hohen Strafen, Zuchthausstrafen von ein bis zwei Jahren, fand vor allem die Landbevölkerung, aber auch Gauleiter Eigruber, selbst kein Kostverächter, wenig Verständnis, besonders wenn Franzosen ihre Hand im Spiele hatten. Begrüßt wurden die strengen Strafen lediglich dort, „wo ein Verkehr mit Kriegsgefangenen unter Verletzung der ehelichen Treuepflicht [. . .] stattgefunden hatte."^ ^ Altenbergs Bürgermeister, der in den Fremdarbeitern mehr oder weniger nur Arbeitstiere für Deutschland sah und mit dieser seiner Meinung bei weitem nicht allein auf weiter Flur war, plapperte in seinem "Protestaufruf" praktisch nur nach, was von offizieller Seite im mer wieder vorgekaut worden war, nämlich: Die Polen hätten ,,keine Ansprüche zu stellen, sondern sich zu fügen"; sie sollten froh sein, am deutschen "Aufbauwerk" teilnehmen zu können, mit dem einen Ziel vor Augen, „den Daseinskampf des deutschen Volkes allen Schwierigkeiten zum Trotz siegreich zu bestehen. Dem „einheitlichen Willen zur an ständigen Arbeitsleistung",^ 5 den man ihnen eintrichtern wollte, mußte gelegentlich nach geholfen werden. Zwei polnische Landarbeiter in der Gemeinde Laakirchen verweigerten die Arbeit. Daraufhin wurden die beiden vom Ortsgruppenleiter höchstpersönlich „gründ lich geprügelt" und kurzzeitig in den Gemeindearrest gesteckt. „Diese Prozedur", so schreibt der Gendarmeriepostenkommandant lakonisch an seinen Landrat in Gmunden, ,,hatte einen ziemlichen Erfolg, so daß die beiden Polen wieder fleißig arbeiten Nicht viel anders erging es sieben russischen Landarbeitern in Ohlsdorf, die nach einer ähnlichen "Prozedur" — man kann sich diese gut ausmalen — „anstandslosder Arbeit nachgingen und sich äußerten, mit der Polizei nichts mehr zu tun haben zu wollen."^^ In der Masse - die Zahl der Ausländer in Oberösterreich erreichte 1943 den vorläufigen Höchststand - fühl ten sich die Fremdarbeiter stark, und das Wissen von Deutschlands militärischen Rück schlägen ließ sie noch selbstbewußter auftreten als in den ersten Kriegsjahren. Sie gehörten oald zum vertrauten alltäglichen Bild, die Einheimischen gewöhnten sich an sie, akzeptier ten sie und fraternisierten sich zuweilen, insbesondere die Jugend. Diese Entwicklung ver folgten die Funktionäre mit großem Mißfallen: „Die Ursachen dieser unerfreulichen Er scheinungen dürften darin ihre Begründung haben [analysiert ein Bericht diese Lage], daß die Erwachsenen selbst noch lange nicht über die sittlichen, sozialen und psychologischen Folgen jeglichen unnötigen Umgangs mit Ausländern aufgeklärt sind, daher auch nicht ent sprechend auf die Jugend einzuwirken vermögen. Das schlechte Beispiel der Erwachsenen wirkt sich begreiflicherweise auf die Jugend in jeder Hinsicht ungünstig aus."^^ Die „uner freulichen Erscheinungen" waren unter anderem: ein Jugendlicher hatte einem französi schen kriegsgefangenen Arzt in der Öffentlichkeit in den Mantel geholfen, ein anderer hielt französischen Kriegsgefangenen die Autotüre auf, bis alle ausgestiegen waren. Ergänzt sei an dieser Stelle, daß nicht allein der „verbotene Umgang" Anprangerungen nach sich zog. In Haag am Hausruck führten SA-Männer an einem Sonntag in der Früh ei nen Fleischhauer des Orts wegen Schwarzhörens umher („Ich bin ein Volksschädling"), in Leopoldschlag wurde Müllermeister M. G. wegen abfälliger Äußerungen über eine Samm lung im Ort „umhergetrieben" („Das ist das größte Schwein")."^" Demütigend wie solche 26

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