Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

Hinter diesen Grotesken steckt meist mehr, unter anderem eine ungeschminkte und keines wegs idyllische Beschreibung des damaligen Landlebens; eine Facette dieses Landlebens soll der folgende Abschnitt beleuchten. Rassenwahn Wiewohl die antisemitische Hetze des NS-Regimes eine Intensität und Breitenwirkung er reichte, wie sie kaum anderen biologischen und politischen Feinden zu teil wurde — man schlage nur die Lokalzeitungen auf, um ein Gespür für das regelmäßige, dosierte Versprühen dieses Giftes zu kriegen —, blieb der Antisemitismus auf dem flachen Land eine relativ ab strakte Größe, schon aus dem einen Grund, da es dort nur vereinzelt Juden gab und diese wenigen oft weitestgehend in den Ortsverband integriert waren. Deutlicher spürbar für den Landbewohner war jedoch der Rassenwahn, wie er an seit No vember 1939 eintreffenden Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen praktiziert wurde, vor erst an Polen und ab 1941 an Ostarbeitern. Erstere waren in der Hauptsache als landwirt schaftliche Arbeitskräfte eingesetzt und auf Bauernhöfen untergebracht. Und hier, auf engstem Raum mit den Einheimischen arbeitend und wohnend, begannen nun die Schwie rigkeiten, zumal die Landbevölkerung ohnehin politisch und weltanschaulich weniger ge schult schien „als die bedeutend intelligentere Stadtbevölkerung".^ Oberdonau war außer dem einer der mit Fremdarbeitern am stärksten überrannten Gaue des Reiches, von zirka 350 000 Beschäftigten Oberdonaus Mitte Februar 1943 sind 30 Prozent Ausländer, insge samt Angehörige von 25 Nationen; während zu jener Zeit durchschnittlich nur jeder sech ste Beschäftigte des Deutschen Reiches ein Ausländer war, gehörte in Oberdonau jeder drit te zu dieser Gruppe.^ Dieser Zufluß von Fremdarbeitern prägte bereits das Ortsbild mit. Mitte Februar 1942 beherbergte, um willkürlich einige Beispiele herauszugreifen, die Ge meinde Kirchham im Bezirk Gmunden, eine Ortschaft ohne wesentliche Industrie bei einer Gesamteinwohnerzahl von 1434 (1939), 109 ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefange ne, Traunkirchen (1939: 1407) zu jener Zeit 180 und Vorchdorf (1939: 4084) über hun dert.^ Polen und Ostarbeiter standen in der Behandlung ein gutes Stück unter ihren Schicksals genossen aus westeuropäischen Ländern wie jenen aus Frankreich, denen man nicht so un verblümt Barbarentum oder Kulturlosigkeit unterschieben konnte wie den Slawen mit ih rer „primitiven Denkungsart.'"^ Und von diesen, der Mehrzahl der Fremdarbeiter, soll hier in erster Linie die Rede sein. Polen gelang es relativ leicht, die Sympathien der einheimischen Landbevölkerung zu ge winnen. Das Verbindende war dabei die Religion. Die Polen hätten, so heißt es sinngemäß in mehreren Lageberichten, die Haltung der bäuerlichen Bevölkerung wohl auszunützen ge wußt, appellierten häufig durch Mitleid erregendes Auftreten an die Güte und das gute Herz der Bauern. „Wie sehr die Polen es verstanden haben, sich durch ihre Scheinheiligkeit und fanatisch religiöses Auftreten bei den Bauern gut zu stellen, zeigt die Tatsache, daß die ländliche einheimische Bevölkerung, wie aus Gesprächen entnommen werden kann, die 'armen Polen' bedauert und in ihnen nicht den Feind, sondern den gleichzustellenden Ka tholiken sieht."5 Solches Verhalten galt als „national würdelos", „eines Deutschen unwürdig", als „ein Zei chen von Charakterlosigkeit, Mangel an Volksbewußtsein und nationalem Stolz",'», dem "gesunden" und "natürlichen" Volksempfinden zuwiderlaufend, sei auf „mangelnde bzw. fehlende Aufklärungsarbeit" zurückzuführen. Es sei „stets daran zu denken", heißt es in einem Rundschreiben, „daß sie [die Ostarbeiter] dem deutschen Volkstum, der deutschen Kultur, Art und Sitte fremd gegenüberstünden."^ Der größte Teil dieser zugewanderten Arbeitskräfte, verlautet ein anderer Bericht aus Oberösterreich, sei „von Grund auf rassisch 22

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