Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

hauptete nach 5 Glas Bier im Wirtshaus "Zum Goldenen Apfel": „Die führenden Persön lichkeiten an der Führung sind Schweine. Solange diese Persönlichkeiten an der Führung sind, erachte ich den Führer als führendes Schwein." Bauern waren zusätzlich gefährdet, wenn sie die Ernährungsfront boykottierten und Schweine schwarzschlachteten. „Gar oft wird der Leser, wenn er beim Frühstück die Zeitung zur Hand nimmt, stutzig werden, wenn er unter Umständen in einem Gerichtssaalbericht liest, '. . . wurde wegen Schwarz schlachtung eines Schweines zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt' [. . .] Mancher Leser wird sich auch fragen: 'Ein Schweinderl hat der Bauer geschlachtet und wird dafür verur teilt!' Der Leser vergißt nämlich allzuleicht, daß dieses 'eine Schweinderl', multipliziert im gesamten Fleischhaushalt des Großdeutschen Reiches, Mengen ausmachen kann, mit denen ganze Städte wochenlang versorgt werden sollen, und er vergißt auch, daß eine zu milde Be strafung solcher Fälle andere Leute verlockt, es auch einmal zu riskieren."^^ Schwarz schlachten, also der Verstoß gegen die Kriegswirtschaftsverordnung, ließ sich weder bei Bauern noch bei Fleischhauern und Viehhändlern völlig eindämmen; sie alle sahen in solchen Delikten einfach keine „ehrenrührige Handlungsweise".^^ Aber gerade in Ober österreich erreichte dieses Delikt Ende 1941/Anfang 1942 außergewöhnliche Ausmaße, so daß man im Gau darandachte, die Fleischration zurückzuschrauben.^® Gauleiter Eigruber appellierte daher Anfang 1942 an alle Richter und Staatsanwälte des Bereiches des OLG Linz, „mit aller Schärfe schnell und rücksichtslos" bei Schwarzschlachtungen zuzupacken: „Denn wenn einer wegen 70 schwarzgeschlachteter Kälber — das ist für unsere Kranken häuser eine schöne Zahl — 3 Jahre Zuchthaus bekommt, so ist mir das als Nationalsozialist zu wenig. [. . .] Bevor nicht einige Todesurteile wegen Schwarzschlachtung kommen, wird sich ein Eindämmen kaum erreichen lassen. Wir müssen einmal zugreifen und irgendwo ein Exempel statuieren; das Abschrecken ist unbedingt notwendig."^ ^ Tatsächlich hatte der Generalstaatsanwalt beim OLG Linz den Viehhändler und Fleischhacker F. P. aus Andorf mit seinen 81 schwarzgeschlachteten Kälbern und 20 Rindern als ersten Todeskandidaten ausersehen P. kam aber mit drei Jahren Zuchthaus davon; drei Monate später wurde ein anderer Fleischhauer aus Gampern, der eine Fleischmenge in einer Wochenration für etwa 50 000 Menschen hinterzogen hatte, zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt, bislang der schwerste Fall in Oberdonau,'^' bis das Sondergericht Linz dann Anfang Mai 1942 das er ste Todesurteil wegen Schwarzschlachtung an Vater und Sohn fällte. „Die Verurteilten sind typische Verdiener am Kriege und müssen daher fallen",'^^ schlug der Oberstaatsanwalt dem Reichsjustizminister vor. Dieser willigte ein und beschloß, vom Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen, und ließ, wie die Phrase hieß (und die einem in diesem Zu sammenhang, einem Todesurteil, zu denken gibt), der Gerechtigkeit freien Lauf. Es war ein gewisses Kunststück für einen Bauern, ein Schwein schwarzzuschlachten, oh ne Nachbarn oder Gesindekräften etwas merken zu lassen. Denunziation aus Mißgunst oder Bosheit ist auch hier die Regel: „Als sie [Magd J. B.] ihren Dienstplatz verließ, zeigte sie ihren Dienstgeber wegen Schwarzschlachtung und unbefugten Fleisch- und Butterver kaufs an."+ ^ Das Drama artet gelegentlich zur Groteske aus: Der Bauer schickt sein ganzes Gesinde zur Mahd, und dieses darf entgegen jeder Gewohnheit erst später heimkehren. Das nährt zu allererst Verdachtsgründe. Eine Schwachsinnige auf dem Hof bringt die Geschich te ins Rollen und erklärt einer dritten Person, im Stall gehe ein Schwein ab, „und zwar ein Tier mit schwarzen Borsten". Die Stallmagd bekommt einige Tage später frisches Schwei nefleisch vorgesetzt mit schwarzer Haut und schwarzen Borsten. Die Bäuerin habe der Stallmagd gegenüber jedoch beteuert, das geschlachtete Schwein sei hell gewesen. Der Bau er antwortet, das Schwein sei eben am Bauch gefleckt gewesen, die hartnäckige Stallmagd entgegnet ihm, das Stück Schweinefleisch, das sie gegessen habe und mit schwarzen Borsten versehen war, sei doch vom Kopf gewesen. Vor dem Kadi des Jahres 1943 geht dann der Streit um die weiße oder gefleckte Sau weiter.+"^ 21

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