Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

keine Teilnahme an nationalsozialistischen Veranstaltungen; Umgang mit Gegnern der NSIdeologie (mit dem ehemaligen Heimwehrführer Wenninger, verschiedenen Priestern und Ing. Kubasta, „dessen Frau, eine Jüdin [. . .] nach England geflüchtet ist"); die Kontakte des Bruders in München („Teilhaber oder Alleininhaber des 'Heiligenbilder-Verlages' [. . .] die sogenannte Faulhaber-Clique"); Ausländerhetze im .Yuge des Attentats auf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller („Anläßlich des verbrecherischen Attentats in München fühle ich mich verpflichtet, auf Dinge hinzuweisen, welche zwar nicht direkt, aber doch zu Krei sen hinführen können, welche aber an solchen Verbrechen größtes Interesse haben könn ten"); verdächtige Tätigkeit der Freunde von D. („Wenninger hat vor der Abreise des D. vor ca. 5 Wochen Tag und Nacht mit der Schreibmaschine geschrieben. Was er geschrieben hat, und ob er D. die Schreiben mitgegeben hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenninger erhält auch öfters Besuche von Pfarrern aus dem Stift Wilhering").^" Noch einige andere Verdachtsgründe aus der Flut dieser Akten: Verwandtschaft mit Leu ten, die als Mitglieder einer Widerstandsgruppe aufgeflogen waren; „charakterliche Minder wertigkeit" (was immer das bedeutet haben mag); Verweigerung der NSV-Mitgliedschaft; Mitgliedschaft des Pfarrkirchenrats; weitläufige Kontakte mit der Bevölkerung aufgrund des ausgeübten Berufes von Störarbeitern, Versicherungsagenten oder Mobilität von Leuten ohne festen Wohnsitz (,,Seine öfteren. Tage währenden unmotivierten Abwesenheiten von seinem Wohnorte wurden daher nicht ohne Grund mit kommunistisch-propagandistischen Umtrieben in Verbindung gebracht");^ • der Besitz eines Radios („Es ist auch mit Sicher heit anzunehmen, daß St., der auch einen Radioapparat besitzt, Auslandssender abhört") Laxheit beim Deutschen Gruß („Bezeichnend für die Einstellung Ls. ist, daß er prinzipiell nicht mit 'Heil Hitler' grüßt").^ ^ Die vorgenannten Fälle wurden mit voller Absicht ausführlicher zitiert, weil einige Überle gungen über die Art von "Staatsfeinden" des NS-Regimes angestellt werden sollen. Der Weg von der ersten Anzeige bis zur Urteilsverkündung unterscheidet sich heute kaum von jenem der Nazis; im Laufe dieses Prozesses, im Hin und Herdes Behördenweges, wird sich heute ebenfalls nicht weniger Papier und Information ansammeln als damals, was im End effekt einen guten Einblick in den spezifischen Gerichtsfall gibt und — vielleicht ein noch gewichtigeres Argument — einen ebensoguten Einblick in die Vorgangsweise der Behör den, Parteidienststellen und Gerichte. Gemäß der erweiterten Definition von Widerstand, die über zielbewußte, organisierte Opposition hinausgeht und Widerstandsverhalten auch aus anderen als nur oppositionellen Gründen miteinschließt, soll hier die Meinung vertreten werden, daß Oberösterreicher nicht aus radikaler Gegnerschaft zum Regime zu solchen "Staatsfeinden" geworden sind, sondern daß diese Oberösterreicher, die politisch oft gleichgültig waren, resigniert hatten, die mit dem Regime nicht sympathisierten, deren Ab neigung zum NS-Staat aber nicht so weit reichte, daß sie aktiv das System bekämpft hät ten, in die Rolle des "Staatsfeindes" und "Widerstandskämpfers" getrieben bzw. durch die Vorgangsweise der Behörden und Gerichte zu solchen gemacht wurden. Wie die vorge nannten Beispiele zeigen, genügte ein Ansatzpunkt für die Behörden, beispielsweise eine heimtückische Äußerung, zum Einschreiten. Man kann Karl R. Stadler und Maria Szecsi recht geben, die meinten, daß solche aus Heimtückegründen Verhaftete ziemlich gewohn heitsmäßig gemeckert und geraunzt hatten und eines schönen Tages eben an den "Fal schen" geraten waren, der dann zur Gendarmerie ging.^-^ Im Zuge des Behördenweges wur de dann — wie die angeführten Beispiele stellvertretend für fast alle zeigen — zusätzlich be lastendes Material gesammelt und nach Art eines Puzzles zusammengesetzt, bis der "Staats feind" eindeutig geschaffen war, der nun abgeurteilt werden konnte. Schneidermeister Z. wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, der Schloßherr zu vier Jahren Zuchthaus. Auch die Nationalsozialisten verstanden Widerstand in dieser erweiterten Form, also ein19

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