von Akten und Dokumenten in die Welt setzten, die dem Historiker ein ungemein leben diges Bild von der Stimmung und Lage der Bevölkerung während dieser Periode geben. Dieser „Widerstand von unten" findet in der Fachliteratur zusehends mehr Beachtung. Der hier gestellten Aufgabe entsprechend soll aber in erster Linie über den Hintergrund dieses „Widerstandes von unten" geschrieben werden. Groß ist die Zahl der Denunzianten — auch im ,,Heimatgau des Führers". Sie sind, der Voll ständigkeit halber sei's gesagt, in den Akten mit all ihren Personenstandsdaten fest veran kert. Tiefgehende emotioneile Gräben tun sich auf, Werte werden umgepolt: K.P. aus Stei nerkirchen an der Traun heiratete Mitte 1942; die Ehe gestaltete sich anfangs recht harmo nisch, im Jänner 1943 ergaben sich dann Mißhelligkeiten. K.P. reichte die Ehescheidungs klage ein. „Daraufhin — aus Rachsucht wegen der eingebrachten Scheidungsklage — erstat tete seine Gattin am 5.4.1943 gegen ihn die Strafanzeige, welche den Gegenstand vorliegen den Strafverfahrens bildet" (zehn Monate Gefängnis wegen Schwarzhörens).' M.J. aus Kirchham beleidigte in Gegenwart seiner Frau den Führer. „Diese Äußerung wurde unter Mithilfe meiner Frau zur Anzeige gebracht", behauptete M.J. später, der für dieses Verge hen zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden war.^ Th. W. aus Pegau ließ ihren vertrau lichen Mitteilungen im Akt anfügen: „Ich möchte bitten, daß mein Name nicht genannt wird, weil mein Gatte der Bruder zu I.W. ist."^ J.L. aus Tumeltsham ging am 3. September 1939, wie's bei den Bauern Brauch ist, in die Kirche, nachher unterhielt er sich auf dem Kirchenplatz mit F. B. aus Peterskirchen, der Reden führte, die „eines deutschen Mannes unwürdig" waren und so „große Erbitterung" hervorriefen, daß J. L. dem dortigen Orts gruppenleiter Mitteilung machte, der dann zur Gendarmerie ging."' Ein anderer denunzierte Herrn L., fügte aber seiner Aussage hinzu: ,,lch bin mit L. gut befreundet und bin ihm in keiner Weise feindlich gesinnt. In einem Lokal in Altheim saßen an einem Tisch der Sohn des Lokalbesitzers und Herr M., am Nebentisch Angestellte der Firma Wiesner, u.a. Dr. H. Zuerst ging das Gespräch dieser Angestellten um private Dinge, als dieses jedoch eine politische Wendung nahm, stieg das Interesse des Duos am Nebentisch. „M. hat mir [so die Schilderung des Lokalbesitzersohns] bedeutet, daß Dr. H. ein verbissener Feind des Nationalsozialismus sei, und er [M.] sowie ich müsse daher den Worten die größte Aufmerk samkeit schenken, die zu einer sicheren Beweisführung unter allen Umständen schriftlich festgehalten werden müssen. M. hat sich auch dann anschließend auf seinem Tische einen Zettel zurechtgelegt und alle die Wörter, die Dr. H. sprach, mitstenographiert. Ich habe M. bei seiner Tätigkeit insoferne unterstützt, als ich zur Täuschung der Gesellschaft des Dr. H. am Tische des M. sitzen blieb und mich, so gut es ging, mit ihm unterhielt." Fazit: 13 Mo nate Gefängnis für Dr. H." Verdruß, persönliche Animositäten, Feindseligkeit, Neid, Weibergeschichten, pure Tratsch sucht sind der Mutterboden fast aller Denunziationen. Konferenzzimmer, Büros, Werk stätten, Bauernhöfe, Gasthäuser im besonderen, also Plätze, wo Menschen sich regelmäßig trafen, wo Meinungen ausgetauscht und unter Umständen Reibungsflächen gegeben waren, verstärkt womöglich durch hierarchische Abstufungen, waren ideale Brutstätten für Denun zianten. Die Gerichte zeigten für die Motivation solcher gehässiger Anzeigenerstattung rela tiv viel Gespür, besonders wenn Anzeigen Monate oder gar Jahre nach der Tatzeit eintrafen. Einige Beispiele: „Gegen Ende Oktober 1940 entstand wegen einer Mädchengeschichte zwischen den beiden Angeklagten eine Feindschaft, infolge deren Zweitangeklagter den Erstangeklagten wegen angeblich parteifeindlicher Äußerungen des Erstangeklagten ihn bei dem als alten Illegalen bekanntgewesenen K. P. verschwärzte."'' „Der Anzeiger scheint bei der Erstattung der Anzeige nicht völlig frei von persönlichen Gründen gewesen zu sein, weil er schon seit längerer Zeit mit A. H. einen Streit wegen rück ständigen Mietzinses für eine im Hause der H. gemietete Werkstätte hat."'' 17
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