Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

„Wir wissen auch, daß wir nicht antragen können, [Taxifahrer] B. zum Militärdienst, viel leicht als Kraftfahrer einzuziehen, er kann ja schneidig und schnell fahren, aber der Volks mund sagt bereits so und glaubt, es wäre das beste Heilmittel für diesen Berufsmeckerer." (Ortsgruppe Ried im Innkreisj^® „Ich glaube, es wäre angezeigt, wenn wir diesen Herrn [Stadtpfarrer von Schwanenstadt] einmal im österreichischen Beobachter etwas beleuchten." (Ortsgruppe Schwanenstadt)^ ^ Es blieb nicht bei den Drohungen mit dem österreichischen Beobachter, man drohte auch mit dem KZ, weil einer zum Beispiel zu wenig bei Sammlungen zahlte,^^ ein anderer sei nen Arbeitsplatz wechseln wollte.^ ^ Zu den wenigen heiteren Seiten des Dokumentelesens gehören Amtsdeutsch und Stilblü ten, zugegeben, ein von der NS-ldeologie ziemlich unabhängiges Feld. Berichte wandern von hierorts/hieramts/hierrayons/hieranstalts zu dortorts/dortamts; Vorfallenheiten sind anher zu melden; es ist auch, so oft es geht, amtszuhandeln; zwischenzeit lich (in der Zwischenzeit) wurden in \J\nz aufhältliche Persouen, glaublich im April, auf grund des obbezogenen Runderlasses haftiert, dermalen in ein Lager verbracht oder mittels Sammeltransports woandershin verschubt; vermutlich wurden sie zuvor niederschriftlich vernommen; vielleicht waren sie teilgeständig, vielleicht sogar nicht zuchthauswürdig; Reli gionslehrer wurden entpßichtet, Soldaten einrückend gemacht,- Oberösterreicher, wenn sie mit Fremdarbeitern intimen Umgang hatten, waren normalgeschlechtlich; Bürokraten emp fahlen Erlässe zur Kenntnis und Darnachachtung, Gendarmen legten im Nationale Wert auf "Spitz- und Gaunername". Der Gendarmeriebezirksinspektor von .Schwertberg versuchte einmal, „mehreren Gerüchten auf ihren Ursprung nachzugehen und konnte dabei feststel len, daß schließlich fast jede Spur ohne Resultat in eine feine Versandung mündete."!"^ Es gab unter den Richtern große Sprachtalente. Die Argumentation bei Hauptverhandlung und Urteil verbeißt sich oft genug auf einen Punkt der Anklage, und fortdauerndes Umspie len eines Punktes und Wiederkauen desselben durch Richter, Staatsanwalt, Verteidigung, Zeugen, Angeklagten etc. schafft sprachliche Dichte und inhaltliche Geschlossenheit, nicht unähnlich modernen literarischen Texten. Ein Beispiel von vielen: Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, daß er am 1.5.1938 durch die Äußerung: „Die Wahl war eigentlich keine Wahl, bei einer Wahl muß doch jeder Partei die Agitation er laubt sein, die stattgefundene Wahl ist nicht mehr wert, als daß die abgegebenen Stimmen beim Fenster hinausgeworfen wären", also durch Schmähungen in einem Gasthauszimmer gegenüber den dort anwesenden Gästen die Anordnung der Behörde bezüglich der Volksab stimmung vom 10.4.1938 herabzuwürdigen gesucht hat. Der Angeklagte gab zwar zu, am 1.5.1938 im Gasthauszimmer des Gasthauses Schützeneder in Julbach zu den dort anwesenden Gästen gesagt zu haben, daß die Wahl vom 10.4. 1938 keine freie Wahl gewesen wäre, wir keine 96 % der Stimmen erhalten hätten. Er gab auch zu, daß ein anwesender SA-Mann ihn deshalb zur Rede gestellt habe und er dann zu diesem gesagt habe, daß das schon eine freie Wahl gewesen sei, es sei aber nicht so wie die früheren Wahlen gewesen, wo noch die Parteien gewesen seien, die vor der Wahl agitieren hätten können und dies dieses Mal nicht der Fall gewesen sei. Der Angeklagte behauptete noch in der Voruntersuchung bei derselben Gelegenheit auch gesagt zu haben, die Schuschnigg-Wahl sei nicht mehr wert gewesen, als daß die abgegebenen Stimmen beim Fenster hinausgeworfen worden wären, er stellte aber entschieden in Abrede, letztere Äußerung in bezug auf die Volksabstimmung vom 10.4.1938 gebraucht zu haben. Vor dem erkennen den Gerichte bestritt er aber, diese letztere Äußerung überhaupt gemacht zu haben und be hauptete, daß diese ein anderer, nämlich ein gewisser Äug gebraucht hätte. Demgegenüber gab der Zeuge F.L. an, daß er zur Zeit, als der Angeklagte obige Äußerung gemacht hätte, im selben Gastzimmer wie der Ängeklagte mit anderen Gästen gesessen sei und er gehört habe, wie der Ängeklagte gesagt habe, die Wahl vom 10.4.1938 sei nichts 15

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