Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

Mit diesen Beispielen befinden wir uns bereits mitten auf dem Feld des Sprachterrors, der nicht die unwichtigste Sparte des NS-Terrors war, denn wer so spricht und denkt, wie wei ter unten angeführt wird, in dessen Bewußtsein ist der Weg für jeglichen Terror schon ge ebnet. Beginnen wir mit den eher harmlosen Einpeitschversen: „Unser Hermann [Göring] hat befohlen. Wir sollen altes Eisen holen" (für Alteisensammlungen) „Herr Meck muß hintendrauf eins kriegen. Denn 'meckern' dürfen nur die Ziegen" (gegen Meckerer und Nörgler) „Lieber Führer komme bald, Unsre Füße werden kalt" (als Jugendliche auf dem Linzer Hauptplatz auf die Ankunft Hitlers warteten) Weniger harmlos waren die ätzenden Sprüche des Osteneichischen Beobachters: „Erhalte Blut und Rasse rein. Dann wird Dein Volk auch ewig sein" „Wer in den Ö.B. [österreichischen Beobachter] gehört, kommt bestimmt hinein." Dieses Kleinstformat war, wie schon angedeutet, eines der gemeinsten Mittel sprachlichen Terrors, in welchem Leute und deren Schwächen ohne Achtung auf Intimbereiche bloßge stellt und angeprangert wurden, jeden Funken Fairness, die man selbst noch dem ärgsten politischen Gegner entgegenbringen sollte, hinter sich lassend. Die Schreiber dieses Blattes waren keine Dummköpfe, sie waren witzig, geistreich, aggressiv, ihr Produkt las sich schlichtweg gut und wurde gern gelesen (wie sich der Verfasser noch persönlich in Ge sprächen überzeugen konnte), und die Redakteure trugen gerade in dieser attraktiven Auf machung des Blattes bei. Anstand und Menschenwürde zu untergraben und zu vergiften. Ganz im Sinne dieses östeneichischen Beobachters benahmen sich Parteigenossen in Schwertberg am Tage der Volksabstimmung im April 1938: Wegen einer Nein-Stimme, die einer gewissen A. Str. angedichtet wurde, verpaßte man das Ziel, Führerort zu sein. Tags darauf stand auf der Hauswand der A. Str. zu lesen: „Dieses Schwein sagt nein!"^ In Un terweißenbach drohte man damals: „Jeder, der eine Nein-Stimme abgibt, wird an die Wand gestellt"^, und ähnliche Erpressermethoden in anderen Orten waren gang und gäbe. Bei all diesen Aktionen zeichneten sich insbesondere die kleinen Funktionäre auf dem Land aus, die Ortsgrößen, die — wie es in Landorten üblich ist — gute Kenntnis des Milieus besaßen und durch den Nationalsozialismus Macht in größerem Ausmaß überantwortet bekamen als ihrer moralischen Potenz und Toleranz entsprach. Ihre Machtanmaßung spiegelt sich deut lich in den politischen Leumundszeugnissen bzw. Beurteilungen von angeklagten Volksge nossen wider, die sie den Gerichten und der Gestapo ausstellten. Auf diesem Gebiet regiert unverblümter Sprachterror. „Der Mann gehört unschädlich gemacht. Jetzt bietet sich Gelegenheit dazu. Ich erhebe da her noch einmal die Forderung: Überstellung in ein KZ." (Ortsgruppe Micheldorf)^ „Dieses gefährliche Subjekt gehört von hier sofort für immer weg. Er ist dann unschädlich gemacht [. . .] Bitte veranlassen Sie, daß der Mann weggebracht wird, aber ohne Aufsehen, damit niemand weiß, wo er ist und was mit ihm geschehen ist, die Ungewißheit macht erst richtig mürbe (am besten vom Arbeitsplatz weg). Bei uns muß einmal etwas geschehen, sonst leidet das Ansehen des Staates und der Partei im Orte in einem unerträglichen Maße, wir wären sonst gezwungen, uns selbst zu helfen." (Ortsgruppe Stadl-Paura)® „Es wäre nur zu wünschen, daß auch M.G., die keineswegs besser ist als ihre Schwester, auch einmal hinter Schloß und Riegel käme." (Kreispersonalamt Linz-Land)^ 14

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2