Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

kenntnis der Liebe und Treue zu Adolf Hitler" ab. Vor dem dortigen Sonderpostamt drängten sich die Leute, die Stempelung der hunderttausend Sendungen nahm mehrere Ta ge in Anspruch, das Geburtshaus selbst war in den Schein tausender Glühbirnen getaucht, und es gab einen 800 Mann starken Sprechchor.L.K. (Linus Kefer) schrieb in der TagesPost aus diesem Anlaß einen poetischen „Gang durch die Heimat", beginnend am Inn, der Grenze „zwischen der verlangenden Heimat und dem harrenden Vaterland".^' In der Ge gend von Windischgarsten, zugegebenermaßen etwas abseits der großen Wallfahrtsroute, hatten allerdings an diesem 20. April, der ein Feiertag war, einige Bauern Feldarbeit ver richtet. „Unter den Übertretern des Feiertagsgesetzes der Gemeinden Pichl und Windisch garsten sind, wie bis nun festgestellt, nur solche, wo die Einstellung zum Staate nicht gera de die zuverlässigste ist", schreibt der Gendarmeriepostenkommandant von Windischgar sten an seinen Landrat in Kirchdorf an der Krems und fügt dem hinzu: „Ob bei der Ent würdigung des nationalen Feiertages eine Absicht vorgelegen hat, kann jedoch nicht bewie sen werden. Sämtliche Übertreter werden mit separaten Anzeigen dorthin angezeigt."^ ^ Zwangsbeglückung ist gewiß auch ein Kennzeichen einer Diktatur. Sprachterror Bei intensiverem Aktenstudium der NS-Zeit wird der Sprachnerv gereizt, und zwar in der Hauptsache wegen des Pathos' einerseits und der Wort- und Sprachmanipulation anderer seits. Es sei hinsichtlich des zweiten Punktes nur an die sprachlichen Neuschöpfungen eines Dr. Goebbels im Angesicht des stetigen deutschen Rückzugs erinnert, den er dem deut schen Volk als Abwehrkampf, Frontbegradigung oder elastische Verteidigung interpretier te. Es ging im Dritten Reich schließlich so weit, daß bestimmte Wörter und Begriffe tabu waren. So teilt der Generalstaatsanwalt in Linz seinen untergebenen Staatsanwälten und Vollzugsanstaltsleitern im Dezember 1943, also nach den Katastrophen von Stalingrad und Tunis mit: „Das Wort 'Katastrophe' ist allein und im Zusammenhang mit anderen Wörtern (Katastrophenfall, Katastropheneinsatz usw.) nicht mehr zu verwenden." Er schlägt ganz im Sinne der Goebbelschen Verschleierungstaktik die Ersatzwörter wie "Soforteinsatz", "Soforthilfe" vor.i Für eine ähnliche Verdrehung der wahren Absicht standen schließlich auch die Wörter Schutzhaft, Endlösung, Umsiedlung, der Anschluß für Annexion oder sogar die Bezeichnung Donau- und Alpenreichsgaue für Österreich. Gewisse Begriffe wie die Arbeitsmaiden sind inzwischen gänzlich ausgestorben; zum Glück auch coventrisieren oder das alliierte Gegenstück aachenisieren . Es werden heute auch weniger kernige und markige Sprüche geklopft. Bei entsprechender Wortmanipulation kann jedes eigenständige Denken vollständig blokkiert werden. Der Begriff "Heldentod" sei dafür ein Beispiel. Diesen zu sterben war eine Ehre, das höchste Opfer für das Vaterland — in diese Richtung arbeitete zumindest die reichsdeutsche Gehirnwäsche, und wie man sieht, mit Erfolg. Anders läßt sich nicht er klären, daß — als Beispiel von mehreren — eine Mutter eines Gefallenen sich äußerte, „sie verstehe nicht, wie Leute über den Heldentod eines Sohnes jammern könnten, das sei doch eine Ehre."^ Worte und Begriffe sind Sprachsymbole, und wer das Wort attackiert, trifft zugleich den Symbolträger. Ein Beispiel dafür bietet das OLG Wien 1939 in einem Schreiben an alle un terstehenden Gerichtshöfe, im Schriftverkehr mit Bischöfen Titulaturen wie Eminenz, Exzellenz, fürsterzbischöfliche Hochwürden fortzulassen.^ Desgleichen wurde in einem Er laß vom Jänner 1942 die Anrede Herr in Briefen gegenüber Juden und Polen eliminiert; die se Bestimmung ließ sich freilich nicht so leicht durchführen, weil nicht immer klar hervorging, ob der Empfänger Jude/Pole war oder nur einen jüdisch/polnisch klingenden Namen trug."^ 13

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