Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

machen sie es, damit sie zu Hause erzählen können, sie seien dort gewesen. Die heilige Wei he, die jeder Deutsche an diesem Ort empfindet, wird vielleicht nur den wenigsten unter ihnen zu Bewußtsein kommen."2o Einige Hitler einst Näherstehende, wie der Vormund, der 70jährige Landwirt J. M., oder der Sohn des ehemaligen Lehrers von Hitler und dessen Leondinger Spielgefährte in früher Jugend,fügten zu Hitlers Apokryphen neue hinzu. Der Spielgefährte schreibt in der Zeitung: „Im kleinen Dorf Leonding ist ja Adolf Hitler herumgetollt, er hat dort Tage der seligsten Kinderzeit verbracht. Schon in der Jugendzeit brach bei ihm sein soziales Denken durch, denn er hat oft und oft mit uns Spielkameraden sein Stück Butterbrot geteilt, und sehr oft ist für den kleinen Adolf — nichts übriggeblieben!"^ i Dem stehen allerdings jene Worte ge genüber, die es der Frau M. W. im September 1940 leichtfertig herausgerissen hat: „Ihr könnt mir nichts sagen. Ich bin von Fischlham und mit dem Führer in eine Schule gegan gen. Als lOjähriger Bub war er schon ein Gauner. Die Tierquälerei war ihm das Liebste. Den Vögeln hat er bei lebendigem Leib die Haxerl ausgerissen." Wie immer man zu dieser Äußerung stehen mag, besonders im Licht der späteren NS-Verbrechen, dem Sondergericht Linz war diese heimtückische Äußerung wichtig genug, und es verdonnerte Frau W. zu sechs Monaten Gefängnis.2 2 Neben den beiden genannten Führerorten und anderen NS-Kultstätten wie Kollerschlag im Mühlviertel, wo sich Nazis ,,heilige Erde" in Erinnerung an die gefallenen Haudegen bzw. "Märtyrer" des Jahres 1934 mitnahmen,2^ profitierte auch die "Patenstadt" Hitlers vom neuen Boom, und die Pläne, mit denen sich Hitler im Zusammenhang mit Linz trug, sind verhältnismäßig bekannt. Die Begeisterung beim Eintreffen des Führers auf dem Haupt platz in Linz war groß, der Jubel "umbrandete" Hitler, und wenn man dem Kinderbuch ,,Mutter, erzähl von Adolf Hitler. Ein Buch zum Vorlesen, Nacherzählen und Selbstlesen für kleinere und größere Kinder" von Johanna Haarer trauen kann, schämten sich selbst hartgesottene oberösterreichische SA-Männer nicht, „vor Freude zu weinen, als der Führer vom Balkon des Rathauses zu ihnen sprach."2-^ In der Tat, es kam zu so vielen hysteri schen Ohnmachts- und Schwindelanfällen, daß der Linzer Rev.ung in einem speziellen Zei tungsartikel der Dank ausgesprochen wurde.25 |n Linz war in diesen Märztagen auch kein Fahnenstoff mehr zu kriegen, alles war aufgebraucht, das Fahnenmeer "unvergleichlich", und der Hauptplatz erhielt „endlich seine Ewigkeitsbezeichnung Adolf-Hitler-Platz".2<^> Eine Form politischer Demonstration, die nach dem Zweiten Weltkrieg völlig außer Mode gekommen zu sein scheint, war in den dreißiger und vierziger Jahren das Gießen von Doll fuß- und Hitlerglocken2 2 sowie das Pflanzen von Eichen, seien es nun Dollfuß- oder Hitler eichen gewesen. Bereits in Hitlers Untersekunda in Linz (1901/02) war das Thema „Die Eiche, ein Baum voll Leben und Bedeutung" im Deutschunterricht behandelt worden.2» Was ist aus all diesen „deutschen Eichen" in Leonding, Gaspoltshofen, Rohr oder in Kirchberg-Thening nach 1945 geworden,2 ^ abgesehen von jener in Eberschwang, die schon Ende 1943 „unbekannten Tätern" zum Opfer gefallen war?^" Die Kirchberg-Theninger hatten besondere Veranlassung, ,,am Sonntag, den 24. Ostermond 1938 |. . .] zur Erinne rung an die größte Tat unseres herrlichen Führers wieder einen jungen Eichenstamm [. . .] den kommenden Geschlechtern [als] Künder und Mahner" in den Boden zu rammen, zumal doch die "Systemregierung" ihre erste Hitlereiche im Jahre 1933 hatte ausreißen lassen.^' Am 24. Ostermond regnete es allerdings in Thening, ,,die Stimmung aber konnte er [der Regen] nicht beeinträchtigen". Zirka 2000 Leute waren zugegen, und wie in Leonding beim selben Anlaß der Festredner ,,markige Worte"^2 gn die Anwesenden gerichtet hatte, so sprach hier der festredende Parteigenosse „zündende Worte", schloß mit dem Befehl ,,Pflanzet die Eichel", worauf der Männergesangsverein Thening mit dem "markigen" Lied „Wo gen Himmel Eichen ragen" einfiel.'^ Im April 1939 feierte Hitler seinen 50. Geburtstag. Braunau gab ,,ein überwältigendes Be12

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