Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

rung selbst Mord und Totschlag nicht ausgeschlossen sind, falls es sich um Durchsetzung ei nes unbedingt Gewollten handelt, und war es nicht nur einmal, sondern öfters der Fall, wie die hiesigen Strafakten beweisen, daß Bäuerinnen von ihrem Bauern erschlagen bzw. aus dem Wege geräumt wurden, wenn sie hinderlich waren. Diese Verhältnisse, wie sie hierzu lande sind, sind doch jedermann bekannt. Über Antrag der oberösterreichischen Landesdenkmalstelle wurde schon im Mai 1938 be schlossen, alle mit der Person des Führers in Verbindung stehenden Erinnerungsstätten un ter Denkmalschutz zu stellen; das waren gezählte neun Wohnhäuser, ferner die Volksschu len von Fischlham und Lambach sowie die Realschulen in Linz und Steyr.i' Qer Erwerb des Elternhauses in Leonding ging relativ reibungslos vor sich; ein Privatmann kaufte es und schenkte es der NSDAP. Bäckermeister H. aus Leonding, der noch vom seligen Vater Hit lers die Bienenstöcke persönlich aufgekauft und über 30 Jahre kultiviert hatte, trat diese bereitwilligst wieder ab, wobei sich die berechtigte Frage anschließt, wie viele Bienen von anno dazumal übriggeblieben sein mochten. Weniger reibungslos war der Kauf des Ge burtshauses Hitlers in Braunau. 1912 kauften die Wirtsleute J. und M. P. das Haus, ohne zu ahnen, weichen unschätzbaren Wert sie damit erworben hatten, denn 1933 setzte der Zu strom der Parteigenossen ein, „die alle neugierig oder ehrfürchtig erschauernd die Räume besichtigen wollten." Die Verbotszeit ab 1934 brachte wohl einen Rückschlag, doch ganz zum Versickern kam das Geschäft nie, und im März 1938 schlugen die Herzen der beiden Wirtsleute sehr hoch. Doch die Partei fand Mißfallen am Geschäftemachen mit dem „Hei ligtum der Nation", und unter sanftem Druck seitens der Reichskanzlei entschloß sich das Ehepaar zum Verkauf, trauerte der "Goldgrube" nach, bis es einige Jahre später während des Krieges starb. Die Partei versetzte daraufhin das Haus in den "Originalzustand" von 1889. Braunau und Leonding, letzteres die Grabstätte von Hitlers Eltern, entwickelten sich zu re gelrechten „Wallfahrtsorten des deutschen Volkes." Dieses Idealbild war lediglich durch die Tatsache leicht getrübt, daß anläßlich der Volksabstimmung vom 10.4.1938 und besonders bei Berücksichtigung der großen Anzahl von "Führerorten" (100 % Ja-Abstimmungsergeb nis) gerade beide Orte diese Hürde nicht geschafft hatten; Braunau vereinigte fünf NeinStimmen auf sich, in Leonding stimmte ein Einwohner gegen Hitler. Anfang April 1938 drehte die UFA in Braunau einen Tonfilm, dankbare Volksgenossen aus dem Reich boten armen Braunauer Kindern kostenlosen Aufenthalt an, und im November 1938 liegt ein Rückblick Braunaus auf die erste "Saison" vor: „Die Öffnung der Grenzen hat die Geburts stadt des Führers über Nacht zu einem Fremdenverkehrszentrum gemacht. Tausende und Abertausende pilgerten zu jener Stätte, wo Adolf Hitler das Licht der Welt erblickte, ließen sich dort im Lichtbild festhalten und besichtigten andächtig das einfache Zimmer, in dem der größte aller Deutschen geboren wurde. Trotz der in diesem Jahre noch sehr beschränk ten ünterkunftsmöglichkeit — die Stadt war auf Massenübernachtungen nicht vorbereitet — übernachteten in Braunau in der Zeit vom Mai bis Oktober 7834 Fremde mit 10 132 Übernachtungen, was einer Verdreifachung der Zahlen des Vorjahres gleichkommt. [. . .] auch die Fremden, die sich nur für Stunden in der Stadt aufhielten, belebten das Geschäft außerordentlich."! Im Falle Leondings legen die Berichte das Gewicht mehr auf die emotioneile, ideelle Seite des "Wallfahrtsortes" und weniger auf das Geschäft; das Bestreben herrscht vor, „daß es [das Eiterngrab des Führers] uns heiliger Wallfahrtsort bleibt, nie aber Fremdenort oder Museum wird."*'-! Das Grab glich meist einem Blumenhügel. Besucher kamen busweise, ganze Belegschaften hatten nun ein neues Ziel und setzten zum Sturm auf Leonding in ähnlicher Art an, wie das heute bei den Landesausstellungen üblich ist. Selbst Amerikaner, Engländer und Franzosen fanden sich ein, denen man freilich ihre ernsten Absichten nicht ganz abnahm: „Vielleicht hoffen sie, dort etwas Sensationelles zu sehen, oder vielleicht 11

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