Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

Derartige Sprachgewalt war keineswegs allein auf sprachbegabte Wortführer beschränkt, sie sickerte bis in die*untersten Etagen der Gesellschaft. Der Dietwart des Turnvereins von Neu markt-Kall harn beispielsweise gedachte bei einer „stimmungsvollen Weihestunde" im März 1938 „des großen Sohnes unserer engeren Heimat" mit folgenden Worten: „Daß Gott ihn uns geschickt, ist unser Glaube, und keine Macht der Welt, kein Papst und kein Kaiser sind imstande, uns diesen Glauben aus dem Herzen zu reißen. Im Geiste und in der Form, die uns der Führer gewiesen, gehen wir ans Werk." ^ Als 1940 vier christlichsozial eingestell te Frauen des Bezirkes Kirchdorf an der Krems wegen Heimtückevergehens abgeurteilt wur den, mußten sie als straferschwerend zur Kenntnis nehmen, daß ihre Äußerungen gegen den Führer gerichtet waren, „dessen Person jedem Deutschen heilig ist." Den Führer zu be leidigen, zeugte grundsätzlich von „niedriger Gesinnung"' und Gendarmen waren angewie sen, Parteigenossen oder Angehörige von Parteigliederungen, „die sich an Ort und Stelle für Beleidigungen des Führers oder der Partei an den Beleidigern durch Schläge oder Mißhand lungen Genugtuung verschafften", nicht anzuzeigen, also wegzuschauen, denn solche Schläge seien „vollauf berechtigt oder verständlich".^ Was wunder, daß der Zeuge G., „als rückgewanderter Buchenländer" über eine Führerbeleidigung im Wirtshaus noch mehr er regt als ein Reichsdeutscher, nur mit Mühe von einer Schlägerei zurückzuhalten war.^ Der Bürgermeister von Oberplan ging noch einen Schritt weiter und feuerte, durch Beleidigung der deutschen Führung aufgebracht, nach Austeilen von mehreren Ohrfeigen gegen den Be leidiger einen Schuß ab.® Der „Heimatgau des Führers" nahm im Großdeutschen Reich einen besonderen Platz ein. „Ist uns doch der ganze Boden seiner Heimat heilig", schrieb der Linzer Schulkollege Hit lers, Hugo Rabitsch, der bedauert, daß aus der Knabenzeit Hitlers in Leonding und Linz bis auf vereinzelte Stücke nicht einmal „unscheinbare Besitztümer des Knaben", wie Schuihefte und Zeichnungen, erhalten geblieben seien. So muß „der Ortsfremde, der die Knaben heimat des Führers sucht [. . .] aus der eigenen Stimmung sein Erlebnis schöpfen: Im Den ken, daß hier jahraus, jahrein ein Knabe Hitler gegangen ist. Sei es, daß er vor den noch heute erhaltenen Bienenstöcken des Vaters steht, deren dreißigmal verjüngte Völker wie einstens schwärmen, da sie Honig für den kleinen Adolf heimtrugen, sei es im Kürnberger Wald an der Ruine der sagenumwobenen Nibelungen-Dichterburg oder an den donauseitigen Hängen des Pöstlingberges. [. . .] Mögen diese Blätter manchem deutschen Jungen die Wege zeigen, die er, nachsinnend über seines Führers Jugendjahre, gerne gehen wird!"'-' Bildbände über die Heimat des Führers waren allemal krisensichere Unternehmen. Der Ruf, Heimatgau des Führers zu sein, verpflichtete natürlich. So hatte Gauleiter Eigruber den Ehrgeiz, Oberösterreich als ersten Gau des Reiches „judenfrei" zu machen,'und in einer Rede in Gmunden bald nach dem Anschluß forderte er die Existenz einer besonderen Ein richtung gerade für jenen Gau, der eben dem Reich den Führer "geschenkt" hatte und so mit ein gewisses Vorrecht vor anderen besaß, nämlich die Errichtung eines Konzentrations lagers.' ' Obwohl gerade das Innviertel, „eine gesegnete Gegend, wo die größten und schwersten Bauern des Gaues sitzen"'2, den Führer hervorgebracht hatte, kommt dieser Landstrich in den Dokumenten nicht immer am besten weg. Die dortige Landbevölkerung hat „einen verhältnismäßig niedrigen Lebensstandard [. . .] es fehlt an hygienischen Einrichtungen", was anscheinend besonders stark auffiel, wenn evakuierte Reichsdeutsche in Orten des Innviertels einquartiert wurden — ein ohnehin nicht immer reibungsfreies Vorgehen.'' Der Innviertier war immer ein kerniger Typ, und der Einzelrichter des LG Ried im Inn kreis, OLGR Dr. Rieseneder, wußte wahrscheinlich, was er sagte, wenn er in einem Urteil gegen einen Schwarzschlächter seiner Meinung über seine Pappenheimer freien Lauf ließ: „Jedem langjährigen, im Innviertel judizierenden Strafrichter ist hinlänglich bekannt, daß bei der Mentalität und Psyche der zu den schwersten Gewalttätigkeiten neigenden Bevölke10

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