Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

Widerstand in der österr. Rechtsordnung Manfred Matzka Die Theorie vom Recht des einzelnen auf Widerstand gegen die Staatsgewalt hat ihren Hö hepunkt ohne Zweifel bereits überschritten. Nach einer großen Zeit während der Reforma tion wurde sie in der Entwicklung des Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts gerade durch die Entwicklung des Rechts in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Die rechtlichen Möglich keiten der Abwehr staatlicher Eingriffe in die Privatsphäre des einzelnen, die die Verfassun gen erstmals im 19. Jahrhundert brachten und die vom Bürgertum und in weiterer Folge auch von der Arbeiterbewegung erkämpften politischen Mitentscheidungsrechte ließen ein Recht auf unmittelbaren Widerstand entbehrlich erscheinen. Erst der Faschismus in Europa ließ die verfassungsdogmatische Diskussion um das Prinzip des Rechtes auf Widerstand gegen die Staatsgewalt Wiederaufflammen. Seinen Ausdruck fand es daraufhin beispielsweise in Art. 20 des Bonner Grundgesetzes, der lautet: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand." Die österreichische Bundesverfassung von 1920 war von Beginn an als Kind des Liberalis mus und radikaldemokratischer Vorstellungen von der Staatsorganisation von jeder Ein richtung eines vergleichbaren Widerstandsrechtes frei. Da 1945 auf das B—VG in der Fas sung von 1929 zurückgegriffen wurde, wurde auch keine ,,antifaschistische Klausel" wie im Bonner Grundgesetz in unserem Verfassungssystem installiert. Da auch die staatsrecht liche Entwicklung in der Zeit seitdem keinen unmittelbaren Einfluß von in der Dritten Welt entwickelten Widerstandstheorien in unsere Rechtsordnung förderte, halten wir auch heute auf diesem Entwicklungsstand: Die österreichische Rechtsordnung kennt kein expli zite normiertes Widerstandsrecht und läßt auch die Berufung auf ein „überpositives Wider standsrecht" gar nicht zu, da die österreichische Rechtsordnung (und insbespndere unser Verfassungssystem) naturrechtliche Normen prinzipiell nicht anerkennt. Eine ganz kleine Ausnahme könnte hier nur in der Regel des Art. 9 B—VG gesehen werden, nach der „die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts als Bestandteile des Bundes rechts gelten". Das Völkerrecht erkennt nun z.B. Aufständische als Rechtssubjekte an und geht somit offenbar von der Existenz eines Widerstandsrechtes aus. Der Umstand, daß das Völkerrecht neben Staaten auch jene anerkennt, die gegen sie kämpfen, ist übrigens wohl auch eines der stärksten Argumente der Bundesregierung etwa für die Anerkennung der PLO. Im Zusammenhang mit einem „völkerrechtlichen Widerstandsrecht" ist allerdings darauf hinzuweisen, daß das Völkerrecht nicht auf eine moralische "Berechtigung" zum Widerstand abstellt, sondern lediglich darauf, ob dieser Widerstand in einem gewissen Aus maß erfolgreich, die von den Aufständischen aufgebaute Macht zu einem gewissen Grad effektiv ist. Das österreichische innerstaatliche Recht kennt also — wie bereits im Grundsatz festge stellt — kein Widerstandsrecht. Dies kommt insbesondere in den strafrechtlichen Normen zum Ausdruck, die den Wider stand eines einzelnen oder von Gruppen gegen staatliche Einrichtungen erfassen: Hier bestraft es § 242 StGB als Hochverrat mit Freiheitsentzug zwischen 10 und 20 Jah ren, „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich ... zu ändern". Mit Freiheitsstrafe wird auch bestraft, „wer eine Vereinigung gründet, de ren . . . Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich ... zu erschüttern " 115

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