Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

sich um recht- oder unrechtmäßige Herrscher handelt. — „Einem unrechtmäßigen Herr scher (Usurpator) schuldet das Volk keinen Gehorsam, es darf und soll ihn vielmehr be kämpfen" (Mausbach-Ermecke, S. 48). Doch erfährt dieser Grundsatz Einschränkungen. So sind die Untertanen durch die Rücksicht auf das Gesamtwohl verpflichtet, auch die An ordnungen eines unrechtmäßigen Herrschers insoweit zu befolgen, als dies die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt erfordern. Einer rechtmäßigen Staatsgewalt darf man dann nicht gehorchen, wenn sie etwas Sündhaftes gebietet oder bewirkt; in Betracht kommen: a) pas siver Widerstand durch Gehorsamsverweigerung unter Umständen bis zum Märtyrertod, b) Gebrauch und Ausschöpfen der legalen Mittel, c) bei Vorliegen der Voraussetzungen auch Notwehr und d) aktiver Widerstand im Falle des äußersten Notstandes, jedoch nur dann, wenn das Unrecht dadurch beseitigt und das Gesamtwohl nicht noch weiter beein trächtigt wird; eine eindeutige Aussage, wann denn nun aktiver Widerstand als ultima ratio zulässig ist, fehlt. In den evang. Kirchen gibt es keine einheitliche Auffassung zum Wider standsrecht. Maßgeblich für die Thesen der heutigen evang. Theologie sind die Theorien der Reformatoren geblieben, die entweder weiter entwickelt wurden oder an denen mit mehr oder weniger großen Abweichungen festgehalten wurde. So sehr sich die christlichen Kirchen in diesem Jahrhundert insbesondere in der Auseinan dersetzung mit dem totalitären Zwangsstaat um die grundsätzliche Klärung des Wider standsrechts und der Widerstandspflicht bemühten, so wenig haben sie doch den einzelnen Christen von der ihm dabei abverlangten persönlichen Entscheidung entbinden können. Bei ihr wird es auch in Zukunft bleiben müssen. Die Kirche kann dafür nur eine mehr oder weni ger allgemeine Gewissensorientierung bieten. Den Widerstand im politischen Feld mit sei nen oft notwendigen militärischen Konsequenzen organisieren kann und soll sie nicht. Hier ist der mündige Christ direkt gefordert. Sein Widerstand kann dabei auch dem Risiko ausge setzt sein, daß er falsch, unzureichend oder zu weitgehend ist. Aber dieses Risiko muß er tragen, weil auch das christliche verantwortliche Handeln im Widerstand unter der Verhei ßung der Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden steht. II. Rechtlich: A. Grundsätzliches. Begrifflich muß das Widerstandsrecht abgegrenzt werden von der Re volution. Danach entscheidet sich auch die Frage, worunter der gewaltsame Sturz einer Regierung zu rechnen ist. Dient er der Wiederherstellung der alten Rechtsordnung, so han delt es sich um Ausübung des Widerstandsrechts; führt der Weg zu einer neuen Staats- und Gesellschaftsordnung nur über den Regierungssturz, so ist dieser Teil einer Revolution. Das Widerstandsrecht innerhalb der Kirche Der Frage, ob es ein Widerstandsrecht nicht nur im Verhältnis zum Staat, sondern ob es ein solches auch innerhalb der Kirche gibt, hat man in der Widerstandsrechtsdiskussion meist nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Ausnahme macht Joh. Heckel, nach dem „für Luther ... die Frage des Widerstandsrechts in eminentem Sinne eine theologische Fra ge ist". Deshalb hat eine evangelische Lehre vom Widerstandsrecht beim innerkirchlichen Widerstand einzusetzen. Ist doch die Reformation selbst das Paradebeispiel dafür. Inner halb der Kirche ist der Widerstandsfall und ein Widerstandsrecht dann gegeben, wenn von Gottes Wort abgewichen wird. Wer das auch tun mag, gegen den richtet sich das Wider standsrecht. Träger des Widerstandsrechts ist jeder Gläubige. Das ist ein Kernbestandteil des allgemeinen Priestertums. Der Gläubige kann es allein oder in Gemeinschaft mit ande ren ausüben. Ergreift der Abfall von Gottes Wort eine ganze Partikularkirche,wird sie zur Gegen- und Heuchlerkirche, so bleibt nur ihre Reformation oder äußerstenfalls die Schei dung von ihr. Das ist in der Sache nach nicht ein Kirchenaustritt, sondern Treue zur wah ren Kirche. Die Form des Widerstands ist aktiv geistlich. Man darf einen solchen Verfall der Kirche nicht duldend hinnehmen, sondern muß ihm bekennend widerstehen. [. . .J 114

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