deutend. Der Ableger der Kaiserin-Elisabeth-Bahn, die eingleisige Strecke Wels — Passau, war dem Ansturm bald nicht mehr gewachsen, der zweite Schienenstrang wurde „eine zwingende Notwendigkeit", und noch im Sommer 1938 im Rekordtempo von knapp zwei einhalb Monaten legten 1600 Arbeiter entlang der 81 km 140 000 Stück Schwellen, so daß am 22.9.1938 die Inbetriebnahme vollzogen werden konnte. „Der Kraftstrom, der sich aus dem Altreich in die Ostmark ergießt, findet nun keinen verkehrstechnischen Widerstand mehr", lautet der Bericht.^4 Auch auf kulturellem Gebiet bricht „nach einer Zeit beispiellosen kulturellen Niedergangs"2 5 zu guter Letzt das Volk der Dichter und Denker in eine größere Zeit auf. Anton Bruckner wird nachträglich zum Großdeutschen, und seine Grabstätte, die Stiftskirche St. Florian zur „Gauorgelhalle", der Musikwissenschaftler Hans Joachim Moser überdenkt das Thema „Österreich in der deutschen Musikgeschichte", als könnte man den Titel nicht ge nauso gut umkehren.26 Oberösterreichs Maler und Bildhauer seien im Vergleich mit Italie nern und Reichsdeutschen „gutes Mittel" und vor allem von keinen „mißverstandenen Zielsetzungen" geleitet. Sie, aus denen man zu Ausstellungszwecken „restlos alles heraus geholt" habe, seien lediglich älter und reifer geworden, und außer einer „leichten Quali tätsverbesserung" sei zu früheren Jahren kaum ein Unterschied feststellbar, „da es wohl in Oberdonau nie eine 'entartete Kunst' gegeben hat."^^ Die Dichter schmieden an der vordersten Front und einstweilen noch ohne Frontbegradi gung. „Wie nicht anders zu erwarten, ist die Großtat unseres Führers, die dem Land das heißersehnte Glück der Vereinigung mit dem Mutterreich brachte, nicht nur mit dem Ver stand aufgenommen worden. In allen Herzen ist die Freude aufgebrochen. [. . .] Viele gös sen die drängenden Gefühle in ein Lied, ein Gedicht. [. . .] Vorweg sei gesagt: Alle sind getragen von edler Begeisterung, sind glühende Bekenntnisse zu unserem Führer, sind Ver herrlichungen des Ausbruchs unserer deutschen Zukunft." Doch vor der Masse — und, wenn man zwischen den Zeilen liest, wahrscheinlich auch vor der Qualität — kapituliert die Tages-Post. „Wohl sind auch Poeme darunter, denen ein Grad von dichterischer Befähi gung nicht abzusprechen ist. [. . .] Aber es ist nun einmal so: Nur ganz wenigen ist es ver gönnt, im Gewände hoher Dichtkunst zu sagen, was uns alle bewegt." Aber vorläufig wei gert sich die Tages-Post, Gedichte aus dem Volk zu veröffentlichen, nicht ohne unerwähnt zu lassen — und das wäre vielleicht ein Fingerzeig für einen Germanisten —, diese Produkte im Archiv der Schriftleitung aufbewahrt zu haben, „als dauernde Zeugen des unvergleich lichen Geschehens, als die schönsten Seiten in der Geschichte unserer Zeitung. Der Hitlerkult in Oberösterreich „25.1.1938. Am Abend dieses Tages war am Firmament eine Naturerscheinung, das soge nannte Polarlicht, zu sehen, Dieses Zeichen wurde von der Bevölkerung dahin ausgelegt, daß etwas Besonderes eintreten werde, was sich schließlich auch bewahrheitete. Auf diese Weise hat ein kleiner Postenkommandant und Chronist die Ankunft Hitlers in Österreich mit einem überirdischen Ereignis in Verbindung gesetzt, um zugleich auch das Außergewöhnliche der neuen Zeitrechnung zu markieren. Über den Kult, der mit Hitler betrieben wurde, gibt es viele Bücher. Hitler, „der geliebte Führer", war ein Ersatzkaiser für viele Deutsche, das ist hinlänglich bekannt. Für viele war er auch so etwas wie ein Ersatzgott, ein Reservechristus. Diesbezüglich genügt der Hinweis auf den Tages-Post-ßiti\ke\ "Christus und Hitler". Herr L.J. aus Wels, der Autor und auf grund seiner beträchtlichen Kenntnis der hl. Schriften vielleicht ein Priester, peilt den Kern der Hitler-Verehrung kerzengerade an: Sie ist in erster Linie „religiösen Momenten" ent sprungen; der Führer ist „der gottgesandte Verwirklicher der Lehre Christi", und wer Hit lers Größe nie erkannt hat, hat auch niemals die Lehre Christi ganz begriffen.^
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