Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

einzusperren.!0 Die Besitzer des Kaffeehauses auf dem umgetauften Adolf-Hitler-Platz 34 in Linz, F. und E. S., warnen in der Ta^es-Post unter Androhung gerichtlicher Schritte jene „unverantwortlichen Elemente, welche die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung" auf stellten, „daß wir nicht rein arischer Abstammung seien. Die amtlichen Urkundenbeweise, aus denen unsere rein arische Abstammung eindeutig und restlos hervorgeht, stehen bei un serem Rechtsanwalt [. . .] jedermann zur Überprüfung zur Verfügung."!! Auch sie fürchte ten um das Geschäft genauso wie der Bäckermeister und Parteigenosse F. L. aus Nußbach, der Mitte 1939 von der Kanzel der Ortskirche herab verkünden ließ, daß er und seine Frau nicht aus der Kirche ausgetreten seien, sie das auch nicht im Sinne hätten, und er warnte vor Weiterverbreitung dieser Lüge. Die Ursache zu diesem Vorgehen, meint der Landrat vom Kreis Kirchdorf an der Krems, „soll dem Vernehmen nach der zurückgegangene Brot absatz sein", den der Bäcker mit diesen Gerüchten in Verbindung brachte.! ^ Ähnlich er ging es einem Kaufmann in Windischgarsten, dem Ortsbewohner androhten, ihm nichts mehr abzukaufen, wenn er sich nicht kirchlich trauen lasse.! ^ Dr. Rudolf Lonauer schließ lich, bald ein eifriger Verfechter der Vernichtung "lebensunwerten" Lebens in Hartheim, annonciert Anfang 1939 in der Tages-Post als „Facharzt für Nerven- und Gemütskran ke".^^ -Es gibt unmittelbar nach dem Anschluß nicht wenige Fälle öffentlicher Selbstanklage: Un ternehmer J. B. aus Wels bedauerte, „die nationalsozialistische Arbeiterschaft [seines Be triebes] in gröbster Weise beleidigt und sie in ihrem freien Bekenntnisse zum Nationalso zialismus in unzulässiger Weise behindert zu haben." Er, der erklärt hatte, „nur Verbrecher und Gauner grüßen mit 'Heil Hitler' ", gewährte wieder den Hitler-Gruß und beließ seine Nazis am Arbeitsplatz.!' Viele Firmen feiern den Anschluß auf ihre Weise und setzen ein Zeichen des National"Sozialismus der Tat"; so gewährte „zum Zeichen der Siegesfreude und der Besiegelung der Volksgemeinschaft" die Spedition Intercontinentale ihrer Beleg schaft eine zehnprozentige Gehaltserhöhung, die Erste Allgemeine Unfall- und Schadens versicherungsgesellschaft zahlte zusätzlich einen halben Monatslohn, die Welser Papierfa brik den Angestellten einen Monatslohn, den Arbeitern aber nur einen vollen Wochen lohn.! 6 Am sichtbarsten ist die Aufbruchsstimmung auf Gemeindeebene. Neue Besen kehren gut. ,,Zeitgemäße Einrichtungen" treten auf den Plan. „Wir beginnen im nationalsozialistischen Staat sofort mit der Arbeitsschlacht!"! ^ Eine echte Entstaubung, nicht nur der Gemeinde räte, Ehrenbürgerlisten und politischen Gremien, sondern auch der Straßen und Plätze, hebt an. Viele Ortsplätze werden erstmals geteert. Leonding verbessert im Hinblick auf den Besucherstrom die Zufahrtsstraßen zur Grabstätte von Hitlers Eltern,!^ Braunau kanali siert und gestaltet den Palm-Park neu, erbaut die modernste Badeanlage weit und breit und hat neben Linz und Steyr nun ein ständiges Theater.!^ Beuerbach pflastert den HermannGöring-Platz und gibt somit der Steinindustrie neuen Anstoß.^" „Auch an Mauthausen ist die neue Zeit nicht spurlos vorübergegangen", berichtet die Tages-Post im Dezember 1938, also fünf Monate nach Errichtung des dortigen Konzentrationslagers. „Heute kann mit Genugtuung festgestellt werden", heißt es in zitierter Tageszeitung weiter, „daß es auch in Mauthausen keine Arbeitslosen mehr gibt. [. . .] Jetzt hört man wieder das altvertraute lu stige Hämmern aus allen Steinbrüchen.[. . .] Die Bevölkerung hat wieder neuen Lebensmut und neues Vertrauen in die Zukunft bekommen. Davon zeugen u.a. die vielen Eheschließun gen.! Selbst die Natur spielte mit. 1938 ist ein Jahr des „verfrühten Frühlingserwachens", alles grünt um etwa vier Wochen früher als üblich.22 Und gleichsam als Sinnbild des politischen Rechtsdralls wird noch im Jahre 1938 die Rechtsfahrordnung in Österreich auf der Straße und im Frühjahr darauf auf der Schiene eingeführt.^' Mit dem Anschluß werden nun die nach Deutschland führenden Straßen und Schienenwege in Oberösterreich besonders be-

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