Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Geschichte der Eisenwurzen 97 Gabeln sowie sechs Millionen Taschen- und Rasiermesser pro Jahr herstellten. Die Messererzeugung erfolgte in drei Stufen: die Klingenschmiede, welche die Roh klingen herstellten, die Schleifer, die den Messern den Schliff gaben, und schließ lich die letzten in dieser arbeitsteiligen Kette, die Messerer, die die Messer mit Schalen versahen,gebrauchsfertig machten und zunehmend als Verleger auch für den Vertrieb sorgten. „An vielen Orten sah ich Weibspersonen mitarbeiten, besonders bei den Messerern",zeigte sich der Grazer Journalist Kajetan Franz von Leitner 1798 auf einer Reise nach Steyr von der familienwirtschaftlichen Organisation der Eisenver arbeitung überrascht. Auch bei der massenweisen Herstellung von Nägeln, einer ebenso anstrengenden wie monotonen Tätigkeit, dominierten bis ins 19. Jahr hundert kleingewerblich-hausindustrielle Organisationsformen. Das wichtigste Zentrum war Losenstein, wo, nach einem Rückschlag im 17. Jahrhundert, im 18. Jahrhundert ein neuer Aufschwung stattfand: 1779 waren von den 154 Nagel schmieden Oberösterreichs 138 mit rund 1150 Beschäftigten in Losenstein konzentriert. Der Vertrieb erfolgte im Verlagssystem. Was hinter dem einförmigen Hammerschlag der Nagelschmiede oder der Feilhauer an Kraftanstrengung steckte, wird bewußt, wenn man einen der alten Hammer stiele In Händen hält, in dessen hartes Holz sich die Schwielen der Hand von lebenslanger Arbeit tief eingekerbt haben. Den Nagelschmieden, die als die „gedrücktesten und am meisten ausgenützten" Gewerbe galten, kämen nur noch die Maultrommelerzeuger und Taschenfeitelmacher in der Armut gleich, schrieb der berühmte Statistiker Carl Frh. v. Czoernig 1841 in einem Überblick über die österreichische Industrie. Schwarze Grafen und rußige Gesellen Spricht man vom Reichtum der Eisenwurzen,so denkt man in der Regel an die „Schwar zen Grafen", die Sensenherren, die zum „Herz- und Kernstück" des gesamten,vom steirischen Erzberg dominierten Eisenwesens aufsteigen konnten. Die wuchtigen Herrenhäuser, nach außen im Rokokokleid oder Biedermeierbarock, im Kern oft viel älter, heute meist etwas verwittert, der Verputz da und dort abgebröckelt, andere wiederum überrestauriert und fast zu schön, künden vom soliden Reichtum ihrer einstigen Besitzer: an Alm und Krems,Steyr, Teichl und Steyrling, an der Enns,Ybbs und Erlauf, in den Gräben und Seitentälern, in Scharnstein, Grünau, Kirchdorf, Micheldorf, Leonstein und Mölln, in Klaus und Steyrling, Spital am Pyhrn, Wlndischgarsten, Stoder, St. Pankraz, Roßleithen und Laussa, aber auch in Waidhofen,Ybbsitz, Opponitz, Gresten, Lunz und Gaming und in der Steiermark. Es war ein Gemisch aus aristokratischer, bürgerlicher und großbäuerlicher Tradition: Die Herrenhäuser mit ihren mächtigen Walmdächern und schmiede eisernen Fensterkörben,die Ziergärten mit Pavillons,Salettln und Figurengruppen, die alte Linde vor dem Haus, die Kapelle am Wegrand, eine Schießscheibe am Wiesenhang. Man repräsentierte mit schweren Trachten und teuren Goldhauben, mit silbernen Knöpfen und bestickten Gürteln, porzellanenen Kaffeetassen und intarsierten Möbeln, neumodischen Badewannen und großen Spiegeln, edlen Detail aus einem Familienporträt des S gewerken Mathäus Koller, Kat. Nr. 2.1.1

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