94 Geschichte der Eisenwurzen Netzwerk Eisenwurzen von Roman Sandgruber Der steirische Erzberg trat erst im Hochmittelalter aus dem Dunkel der Sagen und Mythen. Während die ersten schriftlichen Nachrichten vom Erzabbau am steirischen Erzberg erst aus dem 12.Jahrhundert stammen,sind einzelne kleinere, von den Klöstern betriebene Eisenabbaue bereits früher in Schenkungen oder Tauschgeschäften urkundlich faßbar. Auf dem Biahberg bei Admont wurde eine Rennofenanlage aus dem 11. oder 12. Jahrhundert ergraben, die auch in der Legendentradition überliefert ist; Abt Wolfhold von Admont sollte sich einem Gottesurteil stellen. Er begab sich auf den Biahberg, ließ die Ofenbrust eines Rennofens aufbrechen,die glühende Luppe mitZangen herausziehen und faßte sie mit bloßen Händen an, ohne Verletzungen zu erleiden, ein mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten durchaus erklärbares „Wunder". Man wird die erste Expansionsphase der Eisenproduktion am Erzberg in die Zeit zwischen 1150 und 1300/1350 ansetzen müssen, parallel zum mittelalterlichen Landesausbau und zu der großen Rodungswelle des Hochmittelalters, die ohne Äxte, Beile, Hauen, Pflugeisen, mit Eisen beschlagene Holzspaten, Sicheln, Sensen, Zugsägen, Kliebeisen, Hufeisen und eiserne Wagenbestandteile nicht möglich gewesen wäre. Eiserne oder eisenbeschlagene Geräte begannen auch in der aufblühenden Weinwirtschaft, im Mühlenbau, im Gewerbe, in der Transport wirtschaft und im Bauwesen eine zunehmend wichtigere Rolle zu spielen. Nicht zuletzt wurde Eisen immer mehr zu einem entscheidenden Gradmesser der militärischen Schlagkraft der Ritterheere. War ursprünglich die Verhüttung in kleinen Schacht- oder Rennöfen in unmittel barer Nähe der Erzvorkommen auf der Höhe des Erzbergs erfolgt, so führte die gesteigerte Nachfrage nach Eisen zu einer schrittweisen Vergrößerung der Öfen, was eine entsprechende Verstärkung der Luftzufuhr notwendig machte, die nur mehr mit großen,von Wasserrädern angetriebenen Blasbälgen zu bewerkstelligen war. Da die Wasserkraft auf der Höhe des Erzbergs direkt bei den Erzgruben nicht verfügbar war, mußten die Schmelzöfen ins Tal und an die Wasserläufe verlegt werden: nach Innerberg, das heutige Eisenerz, auf der nördlichen und nach Vordernberg auf der südlichen Seite des Präbichl-Passes. Von dem in einem 15- bis iSstündigen Schmelzgang erzielten Maß oder Stuck, einem festen Eisenklumpen, der nach Beendigung des Schmelzprozesses mit schweren Ketten aus dem Ofen herausgezogen wurde, erhielten diese größeren Schmelzöfen den Namen Stucköfen. Die von den großen,zum Antrieb der Gebläse dienenden Wasserrädern abgeleitete Bezeichnung „Radwerk" bürgerte sich im 15. Jahrhundert ein. Ein solches Radwerk bestand aus dem Stuckofen mit der zugehörigen Schmelzhalle,dem Erzlager und dem Kohlbarren,einer Wagenremise
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