Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

484 Ausstellungsorte Beim Feitelmacher Löschenkohl IV. Und heute? Heute leben rund 360 Menschen in Trattenbach, die zweiklassige Zwergschule ringt alljährlich ums Überleben. Zwei Mittelbetriebe, ein Transport unternehmen, die Post, der Bäcker und der Alpengasthof Klausriegier hoch über dem Ort am Fuße des Schobersteins halten noch die Stellung. Es gibt das Schloß, die Mühle,die Sägen nicht mehr. Die Geschäfte,der Schuster,der Korbflechter,der Faßbinder, die Schneiderin und auch der Tischler sind verschwunden. In den Wirtshäusern wird kein Bier mehr ausgeschenkt, nicht gekegelt, gesungen, gerauft,getanzt und gefeiert. DasSchwimmbad,einst sommerlicherTreffpunktfür kälteresistente Meisterschwimmer und Badeschönheiten, ist beim letzten Hochwasser zugeschüttet worden. Es gibt keinen Schuhplattlerverein mehr und keine Theatergruppe. Kein Wanderkino zieht es mehr ins Trattenbachtal, auch keinen Hausierer, keinen Störschuster und keinen Kesselflicker. In den Nächten werden nicht mehr okkulte Seancen abgehalten oder auf abenteuerliche Weise dem Wild der jagdherren nachgestellt. Es gibt kein ausgelassenes Faschings treiben und keine Sommernachtsfeste oder Messererbälle mehr. Aber: Es gibt noch die Erinnerung an all das. Diese Erinnerung findet nicht allein im privaten Andenken an Kindheit, jugend, Krieg und Arbeit statt. Im kollektiven Gedächtnis Trattenbachs ist die Erinnerung an „Ruhm und Untergang" und an das ganze Kaleidoskop eines quirlig betriebsamen Zusammenlebens wach geblieben, dem jede Generation seine eigene Färbung gegeben hat. Die Arbeit mit Stahl und Holz, das technische Geschick und die Eigenheiten der Menschen im entlegenen Tal sind nicht allein Angelpunkte des Erinnerns, sondern prägen nach wie vor Alltag und Kommunikation in Trattenbach. Denn Mentalitäten sind zäher als Realitäten und Kulturen langlebiger als ihre Güter. Als aus der Gemeinde in Ternberg der Vorschlag auftauchte, an der Landes ausstellung 1998 teilzunehmen,reagierten die Trattenbacher daraufso,wie schon ihre Vorfahren auf ein von außen herangetragenes Ansinnen reagiert hätten: abwartend, zögerlich. Die eigene Historizität aus ihrer Selbstverständlichkeit zu reißen und dem Entfremdungseffekt der Musealisierung preiszugeben, löste Skepsis aus.In Trattenbach war man für diesen Schritt der Geschichte noch zu nah. Doch bald schon erschienen Bautrupps im Ort, weckten die verlassenen Werk stätten aus ihrem Dornröschenschlaf,gaben ihnen neue Balken,frischen Putz und ihr altes Ansehen zurück. Da wurden die Trattenbacher langsam neugierig. Endlich kam der Punkt, an dem die Organisatoren aus Ternberg, die fleißigen Bauleute von auswärts und die studierten Herren aus den Linzer Amtsstuben anstanden: Wie macht man einen Schwanzhammer wieder funktionstüchtig, den ein Trattenbacher 1878 gebaut hat? Wie leitet man das oft recht niedrige Bach wasser so auf die Wasserräder, daß sein Gefälle optimal ausgenützt wird? Wie verbindet man Drehbänke, Poliertrommeln, Stanzen, Fräsen und Sägen mit den Riemen der Transmission? Wie bekommt man Färbevorrichtungen wieder in Schwung, die einst findige Trattenbacher aus alten Uhrwerken oder einem ausgedienten Milchseparator konstruiert hatten? Theoretisch schien das alles kein Problem zu sein, doch es fehlte an Erfahrung und an der Kunst der technischen

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