Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

464 Ausstellungsorte Vor dem Hintergrund der tiefen wirtschaftlichen Krise der österreichischen Wirt schaft eskalierten die gesellschaftlichen Konflikte zwischen den großen politischen Lagern in der bewaffneten Auseinandersetzung des 12. Februar 1934. Die Kämpfe zwischen dem sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbund und dem Bundesheer, die vier Tage lang Österreich erschütterten, fügten der öster reichischen Gesellschaft ein Trauma zu, dessen Tiefe kaum überschätzt werden kann. Die Ereignisse des 12. Februar wirkten bis weit in die Zweite Republik hinein nach. Steyr war-neben Linz,dem Hausruck-Kohlerevier und dem Salzkammergut- eines der Hauptzentren der Kämpfe. Die Bilder von den gefallenen Schutzbündlern und den zerschossenen Arbeiterwohnhäusern auf der Ennsleite gingen um die Welt. Allerdings wurde die Erbitterung der Kämpfenden nicht nur durch die Härte der Gegner genährt, die sich in flächendeckenden Verhaftungen, Schikanen und Zerstörung sozialdemokratischer Symbole äußerte: Erbitterung und heftige Kritik rief auch das Verhalten der österreichischen wie auch der lokalen sozialdemo kratischen Führung hervor, die die kämpfenden Schutzbündler kaum unterstützte und vor allem ihrer Koordinierungsfunktion nicht nachkam. Als Reaktion auf dieses Fehlverhalten kam es zu einer Spaltung der Sozialdemo kratie. Für Steyr ist vor allem der Zustrom von sozialdemokratischen Arbeitern zur kommunistischen Partei relevant, wie auch die Hinwendung eines beträchtlichen Teils der Sozialdemokratie zu den Nationalsozialisten, die sich hier besonders revolutionär-proletarisch gerierten. Neudefinition des Standorts im Nationalsozialismus Für Steyr beinhaltete der Nationalsozialismus den Beginn eines rapiden sozial ökonomischen Wandels, der von vielen Steyrern als existenzielle Chance inter pretiert wurde. Die Situierung eines nationalsozialistischen Rüstungsschwer punktes bedeutete für die Steyr-Daimler-Puch AG die größte Expansion ihrer Geschichte. Maßgeblich für die Standortentscheidung waren die Existenz eines qualifizierten Facharbeiterstamms in einem traditionellen Industriezentrum, die günstige geographische Lage im NS-Großraum -sowohl nach ökonomischen als auch nach militärischen Erfordernissen. Ähnlich wie in der Phase der Industrialisierung im 19.JahrhundertJosefWerndl die Richtung der Entwicklung entscheidend prägte, gab es in der nationalsoziali stischen Ära mit dem Generaldirektor Dr. Georg Meindl wiederum eine Persön lichkeit,die analog die Geschicke der SDPAG in der NS-Zeit beeinflußte. Meindl war aber, anders als Werndl, der Prototyp eines „politischen Managers" mit hohem Fachwissen, außerordentlichem unternehmerischen Geschick, der die Position seines Unternehmens im System des Nationalsozialismus sukzessive ausbaute und schließlich einen der wirklich großen Konzerne Deutschlands führte. Die politischen Rahmenbedingungen wurden von ihm nicht nur akzeptiert,er verstand seine Funktion explizit als Exponent auch der nationalsozialistischen Gesell schaftsordnung. Die unternehmenspolitischen Weichenstellungen,die unter seiner Führung getroffen wurden,wirkten z.T. bis weit in die Zweite Republik hinein nach.

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