Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Ausstellungsorte 463 Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs bedeutete für die Steyrer zunächst Wohl stand und Arbeit: in den vier Kriegsjahren erzeugte die Waffenfabrik über drei Millionen Gewehre und Pistolen,gab es Arbeit für viele. Mit dem Fortschreiten des Krieges aber mußte klar werden,daß die Arbeit in der Waffenfabrik und die bisher nicht gekannte Gewaltentfaltung direkt und unmittelbar miteinander zusammen hingen.Im Schützengraben wurden die technisch nüchternen Beschreibungen der Produkte des Unternehmens zur blutigen Realität. Die bevorstehende Niederlage der Habsburgermonarchie verschärfte überdies den Druck auf die Bevölkerung: Aussetzung demokratischer Rechte, Hunger und Mangel an allem Lebensnot wendigen begannen den Alltag zu bestimmen. Krise und Verfall (1918-1938) Die Entstehung der Republik war auch in Steyrvon revolutionären Erschütterungen und Verwerfungen begleitet. Die Sozialdemokratische Partei erhielt bei den ersten Gemeinderatswahlen die Mehrheit und versuchte in den folgenden jähren-wie in allen sozialdemokratischen Mehrheitsgemeinden-ihre Utopie der Konstituierung einer eigenen,der bürgerlichen entgegengesetzten Lebensweltzu realisieren. Hier ist auch der Ort, die politische Differenzierung innerhalb der Arbeiterbewegung darzustellen:zu den traditionellen Organisationen der sozialdemokratischen und der christlichen Arbeiterbewegung treten 1919 die kommunistischen und ab Ende der zwanziger jähre die nationalsozialistischen Arbeiterorganisationen. Die Konzeption der sozialdemokratischen Arbeiterkultur umfaßte in den sozialdemokratischen Mehrheitsgemeinden auch den Versuch der Realisierung einer sozialdemokratischen Kommunalpolitik. In Oberösterreich waren es insbesonders die Städte mit eigenem Statut, Linz und Steyr, die in der Ersten Republik die Bemühungen forcierten, dem Vorbild des „Roten Wien" nachzueifern und deswegen auch in verschärfte politische Auseinandersetzungen gerieten, die in den Kämpfen des 12. Februar 1934 mündeten. Für Steyr ist auf dieser Ebene die Analyse desZusammenhangszwischen der wirtschaftlichen Lage der Steyr-Werke und den Mitgliederzahlen derSDAPÖ von besonderem Interesse: ein Rückgang der Beschäftigung in den Steyr-Werken führte direkt und unmittelbar zu einem Rück gang der sozialdemokratischen Mitgliederzahlen,sowohl In der Partei als auch in den Freien Gewerkschaften. In diesem Zusammenhang wird neuerlich die Problematik der ökonomischen Abhängigkeit einer Region von einem einzigen Unternehmen deutlich. Auf die Kriegskonjunktur folgte der dramatische Absturz. Versuche einer Diversifizierung der Produktion,etwa durch den Ausbau der Automobilproduktion, waren letztlich zum Scheitern verurteilt. Die Krise und der Niedergang der Steyr-Werke hatten für Steyr dramatische Folgen: Armut, Hunger und Not beherrschten ab den späten zwanziger jähren die Stadt.Im jähr 1932 waren über die Hälfte aller Einwohner von Steyr auf die öffentliche Fürsorge angewiesen.90% der Schulkinder waren schwer unterernährt. Für Bürgermeister Sichelrader stand die Stadt im jänner 1932 am Rande einesZusammenbruchs,„für den das Wort Konkurs eine Verschleierung der Tatsachen wäre". 3ö(^HX>Ch^ auhr*!Xr. ifäitnert93a Steyr in der Wirtschaftskrise: Die Arbeiterstadt wird zurStadt derArbeitslosen. Titelblatt dersozialdemokratischen Illustrierten „Der Kuckuck"vom 12.Jänner 1930

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