Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

412 Ausstellungsorte Sensenwerkstatt„Helmlwerk" in Dirnbach-Stoder, Steyrtal Zunftangelegenheiten vollberechtigt mitbestimmen-wählten die Repräsentanten der Zunftorganisation (Zech- und Fürmeister). Weiters wurden Lehrlinge aufge dungen und freigesprochen bzw.Gesellen und Arbeiter für ein Jahr aufgenommen. Ein Arbeitsverhältnis konnte durch „Anrede"angebahnt und durch den „Leihkauf" -ein Angeld etwa in der Höhe eines Monatslohnes-abgeschlossen werden. Die Schmiedegesellen schlössen sich zu eigenen Organisationsformen im Rahmen der Zunft zusammen: die Knechtschaft, die durch die Aufstiegsmöglichkeit der Gesellen oft nur in Ansätzen agierte. Die Meister kontrollierten die Tätigkeit der Knechtschaft, die sich nur in Anwesenheit von zwei Meistern versammeln durfte. Die Kirchdorf-Micheldorfer Zunft bestimmte,trotz Aufhebung der Zünfte durch die liberale Gewerbeordnung von 1859, noch bis weit in die zweite Hälfte des 19.Jahr hunderts hinein die Arbeitsverhältnisse in den Sensenwerken Österreichs,indem die Innung als Organisation, basierend auf dem Genossenschaftsrecht, weiter geführt wurde. Die Sensenproduktion war noch in derersten Hälfte des 19.Jahrhunderts das„Herzund Kernstück"(Sandgruber)der gesamten,vom steirischen Erzberg ausgehenden Eisenverarbeitung. Nach der Blütezeit im 18.Jahrhundert folgte anschließend eine Periode mit teilweise schweren wirtschaftlichen Problemen. Die Napoleonischen Kriege, der Staatsbankrott von 1811 sowie die Errichtung von Sensenwerken in Deutschland und Frankreich, die die renommierten Marken der österreichischen Werke nachschlugen,fügten den alpenländischen Betrieben einen beträchtlichen Schaden zu. Die Gründung des deutschen Zollvereins im Jahr 1834 und der weitere Verlust traditioneller Absatzgebiete in West- und Nordeuropa ließen bis in die vierziger Jahre die Klagen der Sensengewerken über krisenhafte Zustände nicht verstummen. Dadurch verminderte sich die Anzahl der Sensenhämmer in Ober österreich von 1806 bis 1841 von 98 auf46,wobei die meisten Werke nur vorüber gehend stillstanden. Seit den dreißiger Jahren des 19.Jahrhunderts kam es zu einem verstärkten Engage ment der österreichischen Sensenwerke aufdem osteuropäischen Absatzmarkt. Die Gewerken intensivierten ihre bereits seit längerem bestehenden Geschäftskontakte zu den russischen Sensenhändlern, die alljährlich nach Österreich reisten, um Sensen einzukaufen. Da dieses Sensengeschäft nur einmal im Jahr abgewickelt wurde, waren manche Gewerken gezwungen, unbedingt ihre Waren zu verkaufen. Wegen der großen regionalen Vielfalt der Sensen war ein Absatz der auf Lager liegenden Sensen in anderen Ländern nicht möglich. Der bekannteste Sensenfabrikant des Vormärz war Caspar Zeitlinger aus Micheldorf, der nach der Gradn-Werkstatt auch als „der Grad" bezeichnet wurde. CasparZeitlinger,ein gebildeter und sehrvielseitig versierter Mann,konzentrierte, um Synergieeffekte zu nutzen,vier Sensenwerke in seiner Hand,ohne die traditio nelle Produktionsweise wesentlich zu verändern. Im Jahr 1845 erzeugte er auf vier Hämmern mit451 Beschäftigten 150.000 bis 200.000 Sensen-ein frühindustrieller Großbetrieb. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden im Zuge der Industrialisierung auch in der Sensenindustrie verschiedene technische Neuerungen eingeführt. Die Hämmer wurden verbessert,die Energie(Turbinen oder Elektromotore anstelle der Wasserräder) mittels Transmissionen auf die Arbeitsmaschinen übertragen.

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