Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

3o6 Kunst und Kultur der Eisenwurzen steht. Wir können hier im späten Historismus bereits einen der Ausgangspunkte der Diskussion um Moderne und Tradition feststellen,die die folgenden Jahrzehnte prägen wird. Neben die öffentliche Architektur tritt im 3. jahrhundertviertel eine Reihe von Bauaufgaben, die man unter dem Begriff der „Freizeitarchitektur" subsumieren kann. Tatsächlich entwickelt die Gesellschaft des sich entfaltenden Industrie zeitalters mit der Trennung von Arbeits- und Freizeit ganz neue Bedürfnisse. Der Bogen reicht von der 1874 von Baumeister Josef Huber errichteten „Schwimm schule und Badeanstalt"^^ fQ,- ^ie Arbeiterschaft der Waffenfabrik über das Casino^^als gesellschaftlicher Treffpunkt des liberalen Bürgertums (err. 1867) bis zu den Theaterbauten: etwa das 1883/84 nach Plänen des Wiener Architekten Alois Wurm erbaute Theater in Bad Hall in klaren Renaissanceformen, einer charakteristischen Schöpfung des Wiener Späthistorismus(durch Zubau von 1929 und Verlust des pathetischen Attikaaufbaues dzt. in seiner Wirkung stark beein trächtigt).^^ In einem weiteren Sinne zählt auch ein Hauptereignis dieser Jahrzehnte in Steyr, die große „Elektrische, Landes-Industrie-, Forst- und culturhistorische Ausstellung'^'s des Jahres 1884 zum Bereich der Freizeitgestaltung; sie stellte nicht nur eine mediale Selbstdarstellung des liberalen Steyrer Bürgertums unter Feder führung von Josef Werndl und Franz Tomitz dar, sondern bildete darüber hinaus einen Reflex auf das zeittypische Phänomen der „Exposition" als historistisches Gesamtkunstwerk(man denke etwa an die Weltausstellungen). Das Ausstellungs gelände umfaßte nicht nur verschiedene temporäre Festarchitekturen, man bezog auch die neuerbaute Villa Vogelsang mit ein. Der großen „Oberösterreichischen Landes-Ausstellung" aus Anlaß des Regierungsjublläums von 1898 verdankt Steyr schließlich mit der „Industriehalle" (err. 1896-98 von Franz Arbeshuber) einen weiteren bedeutenden Bau dieser Kategorie.^^ Auch die im Gefolge des aufkommenden Tourismus entstehende Baugelegenheit Hotel, im oberösterreichischen Salzkammergut mit teils bedeutenden, frühen Objekten vertreten, hat in der oberösterreichischen Eisenwurzen einige Beispiele hinterlassen,etwa in Bad Hall (z. B. Hotel Elisabeth mit übergiebeltem Mittelrisalit in Formen des Romantischen Historismus)^^ oder in Weyer (z. B. Hotel Post, Oberer Markt 2,erbaut1900 als Hotel Bachbauer über frühneuzeitlichem Kern von Baumeister Franz Schönthaler^®: typischer Hotelbau der Jahrhundertwende mit asymmetrischer Struktur, Eckerker, Fachwerkelementen und Fensterläden in bereits „heimatorientierten" Formen des ausgehenden Späthistorismus). Neben den Hotelbauten läuft natürlich die Tradition des Gasthofes herkömmlichen Zu schnitts weiter,die Gebäude werden der Zeitmode entsprechend in historistischen Formen fassadiert(z. B. Micheldorf, Hauptstraße 32, reich gegliederte Baugruppe mit Pilastrierung im Obergeschoß und Andeutung von Risaliten). Auch derWohnbau ist in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts starken Wandlun gen unterworfen. Wie keine andere Architekturgattung widerspiegelt er den sozialen Wandel der Gesellschaft. An der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie steht der Schloßbau als Lebensraum des Adels, eine Baugattung, die in der oberösterreichischen Eisenwurzen nur beiläufig vertreten ist. Nicht zufällig ist etwa das Schloß Brunnbach (bei Steyrling) des Hauses Schaumburg-Lippe in seiner

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2