Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Eisenwurzen 259 Was aber empfand das „Volk", die anonymen Unter- und Mittelschichten der Bauern und Bürger, angesichts der geheimnisvollen Kunst, Gedachtes und Gesprochenes in der Schrift zu bewahren und bei Bedarf lesend und vorlesend hervorzuholen? Die Leute hielten alles, was damit zusammenhing, als mysteriös und geheimnisvoll, als zauberisch und damit auch bedenklich. Das Buch war ein Zauberbuch, wie es in der Volksüberlieferung noch bis in die Sagen und Märchen unserer Zeit durchschlägt. Dazu brauchte man ja aber auch in seiner eigenen Lebenswelt diese Kunst nicht. Die essentiellen Dokumente des Besitzes und der vitalen Ansprüche stellte der herrschaftliche Schreiber oder Kanzlist aus,Taufe, Hochzeit und Begräbnis notierte der Leutpriester, als auch die Kirche mit dem Tridentinum ihre Schäflein schriftlich zu verzeichnen begann. Die fürs Seelenheil wichtigen Glaubenstatsachen, die goldene Welt des Himmels,die bunte der vorbildgebenden Heiligen in ihrer Marter und ihrem Glänze malte der Künstler als ein großes Bilderbuch, eine „Bibel der Armen", an die Wände des Gotteshauses. Und seinen Besitz markierte man mit einfachen Zeichen, die auf Vieh und Pflug genauso haften mußten wie auf Trambaum und Rechenstiel. Damit sind wir schon beim Substitut der Schrift alten Herkommens,älter noch als diese, beim Symbol, beim Bild, das mehr ist als nur ein Abbild der greifbaren Wirklichkeit. Gerade das komplexe Gebiet des historischen Berg- und Hüttenwesens zeigt große Vielfalt und starkes Beharrungsvermögen dieser schlüssigen Symbolik, die bis heute in manchen Bereichen ungebrochen ist und damit die verbindliche und allgemein verständliche Kraft von Bildzeichen beweist, die seit Jahrhunderten überliefert werden. Zweifellos über allen diesen stehen Schlägel und Eisen, deren Entwicklung als Symbol sich über mehr als 650 Jahre hindurch verfolgen läßt. An und für sich wird mit diesen beiden markanten Handgezähen des Bergmannes die Arbeit charakterisiert, die dieser beim Abstufen des Erzes manueil leistet. Das Bildzeichen ergibt sich dabei in logischer Weise aus der Funktion der beiden Geräte. Das Eisen, in der Vollform Bergeisen genannt, ist das auf der einen Seite angespitzte und immer wiederzu schärfende,locker im Holz geschäftete Gerät,auf dessen stumpfe hintere Seite bei der Arbeit der Schlägel donnert. Die lockere Schäftung hält den Prelleffekt für die haltende Hand in Grenzen und ermöglicht auch einen raschen Wechsel der stumpf gewordenen Eisen, die bündelweise aufgefädelt vom Bergmann zur Arbeit vor Ort mitgenommen werden,nachdem der Bergschmied diese wieder geschärft hat. Die älteren Darstellungen zeigen das Gezähe noch paarweise nebeneinandergelegt. So sehen wir Schlägel und Eisen etwa noch im Siegel von 1327 der böhmischen Silberbergstadt Kuttenberg/Kutna Hora. Der älteste heraldische Beleg findet sich im Ortswappen der nordost ungarischen Bergstadt Rudabänya von 1330/40. Nicht unbedingt auf Schlägel und Eisen fixiert müssen diese paarigen Zeichen gesetzt werden. Im kommunalen Wappen des steirischen Eisenerz von 1453 mit den Besserungen von 1500 und 1948 werden als Variation pfahlweise neben einander gelegt Haue und Kratze sichtbar. In ihrer vollen Funktion sind die beiden Gezähe in den raren frühen Arbeits darstellungen in Bildquellen aus dem Spätmittelalter zu beobachten. Alpine Bergmannshäkel,Steiermark, um 1700, Kot. Nr. 2.2.3.5.

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