Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

258 Politik und Alltag der Eisenwurzen Symbolik und Bildersprache des frühen Montanwesens von Günther Jontes In den Zeiten der ersten Hochblüten des Montanwesens auch des Ostalpen- und Donauraumes konnte der Großteil der Menschen noch nicht lesen und schreiben. Dieses Analphabetentum darf man aber nicht mit den Maßstäben von heute messen,sondern hat zu bedenken,daß Schriftlichkeit und Lesevermögen an ganz bestimmte Funktionen und Erfordernisse im gesellschaftlichen Zusammenhang gebunden sind, die im Mittelalter und danach von genau definierten Standes gruppen abgedeckt waren. Im kultisch-religiösen Bereich mit seinem Bedarf an Texten von der Bibel bis zum Rituale, vom Meßbuch bis zum Katechismus dominierten natürlich der Mönch und der Priester, die in den Skriptorien der Klöster handwerklich und spirituell in der Lage waren, die erforderlichen Bücher herzustellen. Ihnen folgte der gelehrte Kommentator, der über die inspirierten „heiligen" Texte hinaus in scholastischer, aber zuweilen auch freierer Weise über die Glaubenswahrheiten, über das Leben und die Legenden der Heiligen nachdachte und schrieb. Die im Mittelalter noch rudimentäre Verwaltung von Staat und Besitz konzentrierte sich in ihrer Schriftlichkeit vor allem auf die Ausstellung von Urkunden,die aufdem dauerhaften Pergament,gesichert durch Handzeichen und Siegel, erteilte Privilegien und abgeschlossene Verträge voller Vertrauen auf ihren Ewigkeitswert über die Zeiten zu stellen suchten. Zählt man dazu noch die aus dem Mündlichen ins Schriftliche geretteten Denkmäler früher Poesie und Epik höfischer Prägung sowie die chronikalischen Aufzeichnungen der Klöster und Annalisten der Herrscher, die als eminente Geschichtsquellen angelegt wurden und als solche überdauert haben,so können wir mit dieser Aufzählung den Kreis früh- und hochmittelalterlicher Schriften bereits abrunden,der sich für Menschen unserer Zeit nur verständlich über Beweggründe seiner Entstehung äußert, wenn die Sprachbarrieren Latein, Mittelhoch- und Frühneuhochdeutsch überwunden sind. Seit dem Spätmittelalter hat sich durch die zunehmende Bedeutung der Kanzleien weltlicher Verwaltung und politischer Differenzierung auch das Schriftgut wesentlich erweitert. Protokolle, Rechnungen, Urbare und Inventare bezeugen ein neues Verhältnis zur Ordnung der Welt in ihren Dingen. Dazu schlägt schon manch individueller Geist aus Tagebuch und Brief durch die Anonymität der Vorzeit. Es wächst aber mit dem beamteten Schreibertum,das den Mönch und den Gelehrten auch an der Basis ablöst, die Bürokratie und damit der Wust des Papiers, das weitgehend an die Stelle der kostbaren Tierhaut tritt. Die Menge der Schriften wird mit der Erfindung und Durchsetzung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern noch potenziert und nimmt uns trotz der neuen Medien bis heute gefangen.

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