Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

254 Politik und Alltag der Eisenwurzen Pokal der Steyrer Messererinnung Diese Zunftinsignien hatten die wichtige Funktion,das Vorrecht einer bestimmten Gruppe der Gesellschaft - im konkreten Fall das Anrecht der Mitglieder der Messererzunft auf einen Sitzplatz im Gasthaus - gegenüber Außenstehenden anzuzeigen. Als materielles Kulturgut waren sie damit - genauso wie etwa die Zunfttruhe - wichtige „Ausdrucksformen" eines Gemeinschaftsgefühls, einer kollektiven Identität, aber auch eines Standesbewußtseins einer bestimmten Gruppe von Personen; also „Repräsentanten" all jener psychosozialen Prozesse, die laut Alexander jalkotzy wichtige Merkmale volkskultureller Betätigung sind (vgl. Jalkotzy 1993: S.20 und 24). Das dritte Handwerk, das die Volkskultur der oberösterreichischen Eisenwurzen nachhaltig beeinflußt hat, waren die Nagelschmiede. Vor allem während der Herbst- und Wintermonate fertigten sie die weit Uber die Region hinaus bekannten Nagelschmied-Kastenkrippen, die heute zweifellos zu den beeindruckendsten Zeugnissen der regionalen Volkskunst zählen. Mit ihrer unterschiedlich gestal teten, aber zumeist doch auf regionale Landschaftsformen bezugnehmenden Krippenlandschaft und der vielfältigen Darstellung heimischer Charaktere bei den Krippenfiguren sind sie auch Ausdrucksformen einer regionaltypischen Volksfrömmigkeit, genauso wie die zahlreichen Nagelschmiedkronen, die einst als Totenkronen von den Nagelschmieden für ihre verstorbenen Zunftbrüder gefertigt wurden. Wie die Sensenschmiede und die Messerer waren die Nagelschmiede aber auch sehr sangesfreudige Menschen, und so nahmen sie zum Beispiel über ihre aus schließlich mündlich tradierten und meist während der Advent- und Fastenzeit bzw. bei Brauchtumsveranstaltungen gesungenen Lieder (vgl. Brunnthaler 1995: S.140)Einfluß auf die heimische Volkskultur,indem sie-natürlich unbewußt-zur Verbreitung und Bewahrung des Volksliedes in der Region beitrugen. Gerade am zuletzt genannten Beispiel wird deutlich, daß sich der Einfluß des Handwerks auf die Volkskultur in der oberösterreichischen Eisenwurzen nicht nur im „materiellen Kulturgut" manifestiert, sondern auch im „immateriellen Kultur gut", also in jenen Verhaltens- und Denkweisen von Bewohnern der Region, die ebenfalls Teil ihrer kulturellen Äußerungen sind. Hinsichtlich des Wandels der Volkskultur in der oberösterreichischen Eisenwurzen darf angemerkt werden,daß auch darauf die Handwerker großen Einfluß hatten. Vor allem durch die Wandertätigkeit der Gesellen und den Handel mit fernen Ländern, die besonders von den Sensenarbeitern und den Messerern der Region praktiziert wurden, kam es immer wieder zu einem „Kulturaustausch", der den Wandel der regionalen Volkskultur begünstigte,indem er- über den Wertewandel und die Erweiterung des geistigen und geographischen Horizontes der Menschen - die Abschottung und „Immunität" der Volkskultur gegen Einflüsse von außen unterband. Hartinger spricht in diesem Zusammenhang von einer durch die Gesel lenwanderung bedingten „Beweglichkeit der Handwerkskultur" (vgl. Hartinger 1994: 5. 163), von der bedeutende Einflüsse auf den Wandel der Volkskultur in unserer Region ausgegangen sind.

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