Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Eisenwurzen 243 durchgefüttert werden konnte. Die jungen Frauen waren auf sich selbst gestellt, nur dem eher symbolischen Schutz der Flolzknechte anvertraut, die sie in ihrer Nähe wußten. Und samstags fehlten selbst die. Am Sonntag vermißten die Schwoagerinnen die Flolzknechte dann gar nicht mehr so sehr. Kaum,daß die eine der beiden vom Kirchgang aus dem Tal zurückgekehrt war-denn darin konnten sie sich nur abwechseln,damitimmereine bei den Tieren war-,trafen auch schon die ersten Besucher auf der Alm ein. Die Jugend aus den Dörfern im Tal, Brüder, Verehrer, Freundinnen wanderten zum Schwoagen hinauf, mit wenig mehr Gepäck als einer jause und ein paar Musikinstrumenten, vom „Fotzhobel" über die „Flarmonie" bis zur „Klampfn".Aufder Kogleralm gab's dann sogar ein Grammophon und ein paar Schellacks mit Tiroler Volksmusik. Da wurde musiziert, getanzt, gelacht, geflirtet und Schmäh geführt. Den langen Marsch nahmen die jungen Leute gerne in Kauf, gehörte doch das Schwoagen zu ihren wenigen Vergnügen. Die Burschen und Mädchen waren froh, für einen Tag den heimischen Zwängen und der Kontrolle des Ortslebens entronnen zu sein. Und den Schwoagerinnen war der Besuch eine willkommene Abwechslung. Unbeschwert und unbeobachtet feierten sie ihre Jugend und den freien Tag. Bis zum Abend; dann mußten die einen zurück ins Tal und die anderen zu ihren Kühen. Die Beliebtheit der einzelnen Almen schwankte immer wieder und war nichtzuletzt davon abhängig, welche Schwoagerin gerade das Regiment führte. Stand in den dreißiger Jahren die alte Niglbauernalm hoch im Kurs,zog es in den Vierzigern viele zur lebensfrohen Cilli auf die Menaueralm,im Flerbst auch aufdie Niedernalm vom Viehtaler. In der Kogleralm war es in den zwanziger Jahren noch recht ruhig, doch nach dem Krieg kehrten auch hier die jungen Leute gerne ein, ebenso in der Schüttbauernalm, die 1936 neu errichtet worden ist. Der Gedanke,als Städter einige Sommerwochen aufder Alm zu verbringen,ist eine Idee des 19. Jahrhunderts. Je bedrängter das Leben in der Stadt mit seinen auf kommenden Industrien, mit Lärm, Hektik und Verkehr wurde,um so stärker wuchs die Sehnsucht nach einem Ort,an dem Körper und Seele gesunden können. Doch die Almen zu Füßen der Bodenwies haben sich erst recht spät als Sommerfrische etabliert. Einer der ersten Fremden dort oben war der Dichter und Heimatforscher Gregor Goldbacher. Als er in den zwanziger Jahren auf derViehtaler Hochalm erschien, um Land,Leute und Gebräuche zu erkunden,war die erste Reaktion der Schwoagerin:„Mei,is der schiachl" Dabei war der Herr Professor aus der Stadt durchaus nicht häßlich; er war nur fremd-und städtisch eben. Doch die Schwoagerinnen gewöhnten sich rasch an den Besuch Fremder auf der Alm. Im Zweiten Weltkrieg kamen dann schon häufig Familien mit blassen Kindern aus der gefährdeten Stadt, um Zuflucht im sicheren und gesunden Almleben zu finden. Als Sommerfrische wurde die Alm in den fünfziger und sechziger Jahren populär. Die Sommergäste schätzten die Ruhe und Schlichtheit des Almlebens.Ohne Strom,fließendes Wasser und ähnlichen Luxus zu leben, nahmen sie gerne in Kauf. So anspruchslos die Gäste auch waren, haben sie doch das Leben auf der Alm verändert. Sie brachten den Geldverkehr und nahmen die Einsamkeit. Vor allem aber wandelten sie das kulturelle Bild der Schwoagerin.Seit der Romantik gehörte die Figur der Sennerin zum Typus der „freien Frau", ähnlich der Tänzerin, der

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2