Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Eisenwurzen 239 Die versunkene Welt der Schwoagerinnen. Vom Almleben am Fuße der Bodenwies von Eva Kreisst Schwer kämpft sich der Ochsenkarren den steilen Weg empor. Im Tal ist es warm, Felder und Gärten sind bereitet für den Sommer. Doch oben in den Bergen ist der Schnee noch gar nicht so lange fort. Dort sprießt gerade das erste frische Grün: Oben ahnt alles erst, was unten schon ist. Der Karren ist bepackt für den Sommer,der da kommen wird: Geschirr, Bettzeug, Mehl und Öl, eine Flasche Schnaps-für alle Fälle -, dazu die kleine Truhe mit persönlichen Flabseligkeiten. Ein paar Ferkel fahren obenauf und vielleicht sogar ein Huhn, von einer sorgenden Mutter mitgegeben. Den Karren führt der Bauer, zwei,drei Kinder hüpfen voran,der älteste Sohn geht wohl auch noch mit und die zwei Frauen mit Vieh und Kühen, Halterin und Schwoagerin. Die eine ist kaum der Schule entwachsen,die andere wenig älter nur. Ihr Ziel ist eine der Almen zu Füßen der Bodenwies, die Niglalm oder Kogleralm, die Prenkler- oder Menaueralm,vielleicht die Schüttbauernalm oder die Niederalm vom Viehtaler. Wenn bei der Hütte angelangt das Gröbste gerichtet ist, kehren der Bauer und die Kinder heim ins Tal. Die beiden jungen Frauen bleiben allein bei ihren Tieren. Vieh und Kühe,Schweine und Huhn werden versorgt, dann machen die beiden es sich wohnlich in der Hütte, die den Winter über verwaist unter dem Schnee gelegen ist. Das Milchgeschirr wird blankgerieben, die Betten werden gefüllt, die Böden geschrubbt, der Herrgottswinkel frisch geschmückt mit Grass (Fichtenreisig) und vielleicht einem neuen Wandschoner aus Papier, darauf ein röhrender Hirsch oder ein Spruch für trübe Stunden:„... geh immer lachend durch das Leben,wenn dich auch drückt der Schmerz...".So beginnt er, der Sommer auf der Alm, ein Sommer voller Arbeit, Verantwortung,zuweilen Geselligkeit und vor allem: Freiheit. Denn hier oben redete ihnen niemand etwas drein, schaffte niemand der jungen Halterin die niedrigsten Arbeiten an,traf kein rivalisierender Blick die Schwoagerin,keine Sitzordnung sorgte bei Tisch dafür,daß die Mädchen zuletzt an die Reihe kamen, es gab kein Nein, kein Muß und kein Soll. Nicht Normen,Hierarchien und Verpflichtungen lenkten das Leben der Schwoagerinnen, sondern allein ihre Arbeit und die Natur. Heute sind die Schwoagerinnen, die zwischen 1920 und i960 die Almen der Bodenwiesgegend bewirtschaftet haben, alte Frauen. So steht es jedenfalls in ihren Papieren. In ihren Augen blitztjedoch zuweilen ihr wahres Alter durch,für das es keine Angabe in Zahlen gibt. Die eine schaut träumerisch und versonnen, die andere vermag ihren Übermut immer noch nicht zu zügeln. Wieder eine ist keck und verschmitzt, und so manche von ihnen zeigt, daß das Wort „innig" eine tiefe und völlig unsentimentale Bedeutung haben kann. Das Stück ihres Lebens auf der Alm hat sich fest eingenistet in ihnen, und wenn

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