Politik und Alltag der Eisenwurzen 237 Beim wackeren Wilderer verknüpfte sich also Schlauheit mit einem großen Maß an Ausdauer. Diese benötigte gerade der Gamswilderer, der bei seiner verbotenen Pirsch auch einige Fertigkeiten im Klettern besitzen mußte. Wildererbanden und Schlachten - Die Verehrung der erschossenen Wildschützen Der Wilderer wird ob seiner Kühnheit in Ehren geachtet und,wenn er beim Wildern ums Leben kommt, romantisiert. Davon künden Lieder und Moritaten. Der als junger Bursche getötete Wilderer altert nicht, er bleibt, wie es einem toten Rebellen gebührt,ewig jung. Gleich James Dean und anderen Helden wird er zum Gegenstand der Verehrung. Tote gab es oft bei Kämpfen zwischen Wildererbanden und Gendarmen oder Jägern -und zwar in Zeiten der Not,als eine arme und hungernde Landbevölkerung nicht einsehen wollte, daß das Wild weiterhin dem „feinen" Jagdherrn allein gehören sollte. Daher taten sich Burschen zu Wildererbanden zusammen und spotteten dem Rechtsanspruch der oft adeligen Jagdherren.Sie waren echte soziale Rebellen, da sie die Interessen der „kleinen Leute" zu vertreten meinten und sie auch an ihrer Beute teilhaben ließen. Dies wird von Wilderern aus Mölln berichtet,die einen Teil der von ihnen gewilderten Stücke armen Leuten vor die Türen gelegt haben sollen. Die MollnerWildschützen,unter ihnen Kriegsheimkehrer, lieferten unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg den Gendarmen eine legendäre Schlacht, bei der vier Wild schützen erschossen wurden. An diese vier toten Mollner Wildschützen erinnert heute noch ein Porzellanteller mit deren Bildnissen. Die vier Getöteten wurden zum Gegenstand von Legenden. Eine ähnlich wilde Schlacht-sie fand aufder Moaralm statt- wird auch aus Windischgarsten berichtet. Dabei starben ein Jäger und ein Wildschütz. Auf dem Totenbildchen des Wilderers, eines Bauernsohnes, wird ausdrücklich aufdie Gams(in dem Lied allerdings„hochdeutsch"als „Gemselein" bezeichnet) verwiesen: „Die edle Jägerleidenschaft trieb mich auf Bergeshöhn, zu meinen lieben Gemseiein, so frei, so stolz,so schön ... Erschossen armen Schützen mich, ist doch die Welt verkehrt... Der Himmel wird mein Lohn." Und ein Marterl am Anzenbach im Reichraminger Hintergebirge erinnert an den „Schwarzen Hias", der, als er mit befreundeten Wildschützen unterwegs war, von Jägern niedergestreckt wurde. Seinem Tod ging eine wilde Rauferei zwischen den Wilderern und den Jägern voran. Toten Wildschützen wurden Marterln errichtet,oder man ehrt ihre Grabstätten,wie die des Wildschütz Jennerwein am Schliersee oder die des Pius Walder in Kalkstein in Osttirol. Als tote Rebellen sind sie unsterblich und genießen Ansehen beim „braven Bürger",der vom Wildschütz als dem „edlen" Rechtsbrecher fasziniert ist. Mollner Tetlerzu Ehren von vier getöteten Wildschützen
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