234 Politik und Alltag der Eisenwurzen betrachtet es als eine Verhöhnung der ihm von Gott gegebenen Rechte, daß es verboten sein soll,,Gamserl'zu schießen,und gerade für diese so gefährliche Jagd ist er am meisten eingenommen, jeder Gang zum ,Dirndl' auf die Alm bietet Gelegenheit, offen oder verborgen den Stutzen mitzunehmen, und nicht selten bringt er bei der Rückkunft einen feisten Gamsbock mit, unbekümmert um alle Paragraphen des Strafgesetzes, deren Bestimmung er nur als eine Entehrung seiner Würde ansieht Bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg galt also das Wildern als Beweis für Mut und Liebe zum Abenteuer. Magie und Wildschütz In der Randkultur der Wilderer dürften wohl seit alters her magische Praktiken von großer Bedeutung gewesen sein. So wird berichtet von geweihten Kugeln, die unfehlbar waren,und von Gegenständen,die,wiezum Beispiel gesegnete Hostien, Unverwundbarkeit versprachen, wenn man sie bei sich trug. Eine besondere Magie, um zu einem verwegenen Burschen zu werden, war mit dem Blut des erlegten Wildes verbunden, wie es in einem Lied aus dem Salzkammergut betont wird. In diesem heißt es unter anderem: „Z' Haus weid i 's Gamserl aus, i trink 's Bluat[!] mit Freud, äft kriag I mehra Schneid [!](...)" Aber auch für die Volksgesundheit wurde die magische Beziehung des Wildschützen eingesetzt. In der nördlichen Steiermark soll, wenn die Frau eines Bauern vor der Niederkunft war,ein Wildschütz vom Bauern gebeten worden sein,einen Gamsbock zu schießen. Dessen Brunftfeige gab man der Kreißenden in die Hand,was angeblich den Geburtsvorgang erleichterte. Vielbegehrt von Mädchen, die häufig unter Zahnschmerzen zu leiden hatten,war eine vom Wilderer „ausgeschossene Bleikugel, die durch das Wild gegangen ist". Diese Kugel stillte angeblich den Schmerz,wenn man sie unter die Zunge legte.Auch sollen Küsse eines hübschen Wilderers dieselbe Wirkung erzielt haben. Der Wildschütz als Liebhaber Mit dem Wildschütz als dem „edlen" und verwegenen Rechtsbrecher ist eine besondere Erotik verknüpft - ähnlich wie mit früheren Räuberhauptleuten und kühnen Schmugglern. Der Wildschütz wurde als jemand gesehen, der Mut zum Abenteuer hat und der fähig ist, die Mädchen herzhaftzu lieben. Dieszeigen diese aus dem Jahre 1915 stammenden Zeilen:„Im Ennstal ist den Bauernburschen eine Art ritterlicher Sinn eigen, der sich im Wildschützenleben ausprägt; derjenige Bursch,der der kühnste Wilderer ist, gilt in der Bevölkerung als eine Art Heros. Der Bursch, der mit einer bockledernen Hose zur Kirche geht, gilt in den Augen der
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