Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

228 Politik und Alltag der Eisenwurzen Internationale Hilfsorganisationen unterstützten mit Sachwerten, mit Lebens mitteln und Medikamenten und Geldspenden die Betreuung der Flüchtlinge. In Oberösterreich arbeitete auch die Diözese Linz mit der Caritas und der Bahnhof mission intensiv für diese Menschen. Obwohl sich - wie erwähnt - die Zahl der Landfremden von 1945 auf 1946 in Oberösterreich auf weniger als ein Drittel reduziert hatte, waren es noch immer zu viele. Auswanderungen sollten helfen. Diplomatische Verhandlungen und politische Abmachungen führten zu einigen erfolgreichen Aktionen. Die Vereinigten Staaten erklärten sich bereit, rund 7500 Volksdeutsche aufzunehmen. Die wichtigste Voraussetzung war die Abgabe einer Bürgschaftserklärung. Ein Bürger der USA mußte sich bereit erklären,für den Unterhalt des Einwandernden zu sorgen. Die Schweizer Europahilfe begann eine Kampagne für die Gründung einer Kolonie in Brasilien. Selbständige Landwirte, Handwerker,einige Lehrer und Ärzte wurden bevorzugt. Insgesamt emigrierten 2500 Donauschwaben nach Übersee. Frankreich entschloß sich wiederum, Banater aufzunehmen. Es wählte geschlos sene Familien ohne altersmäßige Begrenzung,wobei aufje zwei arbeitsfähige drei nichtarbeitsfähige Personen entfallen konnten. Damit wurden wieder 5000 Land fremde aus Österreich abgezogen. Für die Behörden ging es dabei um die Umsetzung politischer Konzepte und um die Einhaltung aller rechtlichen Schritte und Bedingungen; Formulare waren notwendig, Ausweise, Bescheinigungen, Atteste. Für die Flüchtlinge waren es Chancen und Entscheidungen,die Mut und Initiative erforderten. Für sie waren es frei gewählte Schritte, Teil einer Lebensplanung; für die (ober-)österreichischen Ämter kleine Schritte, das Problem der Überfremdung zu lösen,Teil einer Planung zur Milderung des Nachkriegselends. Die verbleibenden Heimatvertriebenen mußten integriert werden. Beamte des Ämtes für Umsiedlung schlugen dafür eine Strategie vor: Oberösterreich sollte „aus der vorhandenen Menschenreserve die notwendigen Ärbeitskräfte und Fach leute heraussuchen".Es wurde festgestellt,daß weder die Landwirtschaft noch der Wiederaufbau der größeren Industrieunternehmen allein mit einheimischen Kapazitäten funktionieren könne.„Es gibt sich daraus auch die Folgerung,daß das Herausziehen der nun nicht mehr hier notwendigen Arbeitskräfte, bzw. die Sondierung von den notwendigen, einen vorsichtig durchzuführenden Prozeß darstellt (...), um nicht ein oder das andere Arbeitsgebiet voll lahmzulegen oder abzudrosseln." 1947schätzten die Experten,daß Oberösterreich ungefähr 50.000 Fremde bleibend aufnehmen könnte bzw. dadurch die „durch den Krieg geschlagenen blutigen Lücken wieder aufgefüllt" wären. Im Staatsvertragsjahr 1955 waren es mehr: genau 78.373 Flüchtlinge zählte die Statistik. Der mitunter verklärend wirkende Topos vom harmonischen Wiederaufbau unseres Österreich durch den Fleiß aller entpuppt sich im Schein dieser politischen Überlegungen als sehr berechnete und geplante Inszenierung. Das individuelle Emporarbeiten, das Schaffen von persönlichen Werten, auf das alle Heimatvertriebenen in Österreich stolz sind - und es auch sein können -, war nur möglich, weil Menschenmaterial gebraucht wurde.

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