Politik und Alltag der Eisenwurzen 225 Andere Donauschwaben verteidigten ihre Heimat vor serbischen Partisanen, indem sie ihre Ortschaften umbunkerten. Der Wegzug Anfang März1944 fiel daher weniger schwer,es war ein militärischer Rückzug,und die Menschen hatten Todes angst.Aber alle waren sicher, nach wenigen Wochen-nach dem Endsieg?-wieder umkehren zu können. Im November des gleichen Jahres zogen sie aus ihrem Zwischenlager ab, aber nicht heim, sondern nach Österreich. Nach Kriegsende versicherten ihnen die amerikanischen Besatzungssoldaten,daß sie zurückkehren könnten. Die Familie Stiksel, mittlerweile bei Bauern in Nußbach untergebracht,tat es, kam bis zur Grenze und nicht weiter, wurde in Waggons gesteckt und abtransportiert. In Kaisersteinbruch stiegen sie aus und fanden sich in einem großen Lager wieder. Auf den vielen Stationen ihrer Flucht aus dem Heimatdorf Kula in Slawonien wurden ihre Habseligkeiten immer weniger. Im Lager hatten sie nur mehr das,wassie am Leib trugen. Heute lebt die Familie in einem respektablen Einfamilienhaus in Wartberg/Krems,ist längst integriert und enthüllte vor wenigen Jahren mit ehemaligen Nachbarn an der Pfarrkirche eine Gedenktafel an ihren Heimatort. Die Donauschwaben, zu denen auch Herr und Frau Stiksel zählen, kannten ein Sprichwort, das ihre Siedlungsgeschichte im Banat zusammenfaßte: „Die erste Generation hatte den Tod, die zweite die Not, erst die dritte das Brot." In ihren neuen Siedlungen hier in (Ober-)Österreich ging es schneller. Eine Generation erlebte Tod, Not und -zum Glück und erworben mit dem gleichen Fleiß wie die Kolonisatoren -auch das Brot. Donauschwaben und Siebenbürger Sachsen waren Flüchtlinge, genauso wie die Buchenlanddeutschen aus der Bukowina,wie Bessarabier und Wolgadeutsche,die ihre Heimat im Laufe des Krieges verlassen mußten. Die Karpaten- und Sudeten deutschen wurden vertrieben. Nach Kriegsende wurden sie von der neuen Regierung der Tschechoslowakei enteignet und zum Gehen gezwungen.Wer nicht unmittelbaren Kontakt ins Ausland hatte, der als erste Anlaufstation dienen konnte, kam in Internierungslager. Ungeregelt und mit verschiedensten Mitteln führten die Wege Tausender Deutscher auch nach Oberösterreich. Dieses Land kannte wohl niemand aus eigener persönlicher Erfahrung; von den Volksdeutschen haben sich vielleicht die aufmerksamen Schüler aus dem Unterricht noch ein paar Fakten gemerkt, in dem es als einstiges Kronland der Monarchie erwähnt wurde. Insofern war ihnen ganz Österreich ein Begriff, eine vertraute Gesellschaft. Alle „Volksdeutschen" gehörten einmal zu einem gemeinsamen Reich und verehrten den gleichen Monarchen. Daher betonen viele von ihnen, daß ihnen der genannte Sammelbegriff aus dem Deutschen Reich aufgedrängt wurde und daß sie sich selber lieber als „deutsche Leit" sahen. Vielleicht schmerzte es sie daher noch mehr, wenn sie eine ablehnende Haltung der Österreicher spürten. Eine Volksgruppe wird in der Landesausstellung berücksichtigt, die im Gegensatz zu den anderen freiwillig ging: nämlich die Südtiroler. Sie optierten. Wobei man „freiwillig" wirklich nur im Verhältnis zu den bisher erzählten Fluchtschicksalen nennen kann. Die Auseinandersetzung,ob die Option ein ideologisches Bekennt nis war oder bloß die Wahl eines geringeren Übels, dauert immer noch an. Jeden falls beschlossen seinerzeit Hitler und Mussolini,das Südtirol-Problem durch eine
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