Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

224 Politik und Alitag der Eisenwurzen Flüchüingstreck der Siebenbürger Sachsen, November 1944 geben wird. Es herrscht Schönwetter,als die Türen auf den 96 Höfen geschlossen werden. Es läuten die Glocken, als die Pferde- und Rindergespanne sich Richtung Westen in Bewegung setzen. Es ist ein Sonntag, an dem dieses Dorf von den Sachsen verlassen wird, die seit acht Jahrhunderten dort gelebt haben. Der Treck zieht durch Ungarn, erreicht Anfang November die österreichische Grenze bei Klingenbach und bleibt schließlich nach genau zwei Monaten Flucht am 17. Novem ber In Gleink stehen. Die Dorfbewohner werden in Gruppen auf drei Ortschaften aufgeteilt: ein Teil kommt nach Adlwang,einer nach Schiedlberg,ein anderer nach Rohr. Ein Student schließt sein Flucht-Tagebuch und notiert erschöpft als letzte Eintragung:„Schluß der Fahrerei!" So und ähnlich verliefes für alle Flüchtlinge in diesen Wochen und Monaten.Einige haben sich trotz der nahenden Gefahr entschlossen, daheim zu bleiben. Peter Fischer, ein junger Priester, stellte sich die Frage, warum er aus Syrmien flüchten sollte In die fremde Welt. Seine Gemeinde in Dal] war multinational und er Seelsorger für deutsche,ungarische und kroatische Katholiken.Seiner Familie,die 150 km weiter im Osten lebte und mittlerweile zu ihm gezogen war, riet er hingegen weiterzufahren. Die Mutter widersprach zaghaft, ihr war schon diese Distanz eine zu große Entfernung von der Heimat, und auch das Zusammensein der ganzen Familie ersetzte ihr nicht das eigene Haus. Pfarrer Fischer, der nicht an dem „umgekehrten Schwabenzug" teilnahm und blieb, kam in ein Vernichtungslager, von wo er flüchtete und im Jänner 1946 illegal über die Mur nach Österreich einreiste - mit Hilfe von Schleppern. Hier wurde er Flüchtlingsseelsorger und Lagerpfarrer am Bindermichl in Linz. Er half seinen Landsleuten bei der Organi sation des Lagerlebens, bei bürokratischen Wegen und tröstete Frauen, die mit Bleistift in ihr Gebetbuch notierten:„Mann erschossen,Sohn erschossen,im Lager, Kind bettelt um Brot, Flucht über die Grenze-Jesus, ich verzeihe dir."

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2