Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Elsenwurzen 223 Hilfsarbeiter zu verdingen. Sie wurden depressiv, und einer schied deshalb sogar freiwillig aus dem Leben. Die Erklärung ist einfach und trocken: „Wer Bauer ist, kann nicht Knecht seinl" Der hohe Anteil der bäuerlichen Bevölkerung und die Integration der Vertriebenen in den ländlichen Bezirken Oberösterreichs führten zu der Lösung, in der Landes ausstellung das Thema „Heimatvertriebene in neuer Heimat" mit verschiedenen Sensenformen zu symbolisieren. Für die Volksgruppen der Südtiroler, Donau schwaben,Siebenbürger Sachsen,Karpaten- und Sudetendeutschen steht jeweils eine Sense, wie sie in ihrer Heimat verwendet wurde. Sie sind unterschiedlich geformt und signalisieren wie Trachten die Herkunft der Mäher. Ohne es genau erklären zu können-wahrscheinlich einfach,weil man damit groß geworden ist-, griff jeder Bauer zu „seiner" Sense. Nur mit ihr konnte er „richtig" arbeiten. Und die Arbeit mit der Sense war wichtig, man erntete mit ihr. So verschieden wie die Sensenblätter war auch die Mahd. Die Donauschwaben etwa mähten in anderen Kolonnen und legten den Hafer mit einem Rechen zur Seite. Hinter den Schnittern gingen die Frauen mit Sicheln und banden kreuz förmige Garben. Und als Stärkung und Belohnung gab es das beste Essen. Überhaupt war das Essen am Mittagstisch hier einfacher als in den fruchtbaren Donauebenen. Fast jeden Tag nur Erdäpfel und Sauerkraut waren ungewohnt für jemanden, auf dessen Hof Gänse, Enten und Hühner gezüchtet wurden und die Gärten blühten. So gab es über das Jahr viele alltägliche Verrichtungen, die die Ankommenden anders machten als die Angewurzelten. Heute,fünfzig jähre später, haben sich die Unterschiede verwischt, die Flüchtlinge sind integriert, es gibt eine zweite und bereits eine dritte Generation. Über die großen Migrationsbewegungen in der jetzigen Zeit referierend,erkennt der Philosoph Vilem Flusser eine eigene,wichtige Aufgabe des Einwanderers für die Gesellschaft, die auch seinerzeit ihre abstrakte Gültigkeit hatte,jener lege „das dem Beheimateten Heilige als Banales bloß". Doch reden wir nicht zuviel über Integration,erzählen wirzuerst von der Vertreibung. Die Gruppen aus dem Südosten Europas,die Siebenbürger Sachsen und die Donau schwaben, flüchteten vor der näherrückenden Front. Zuerst verließen die am öst lichsten lebenden Volksdeutschen aus Rumänien ihre Dörfer und Städte: In Auflösung begriffene deutsche Truppenverbände verschlägt es 1944 nach Nord siebenbürgen. Die Bevölkerung wird unruhig, man wagt nicht,ans Schlimmste zu denken,und versucht das gewohnte Tagwerk zu verrichten. Im Sommer werden es immer mehr Soldaten. Sie lagern kurz und ziehen weiter, während die Bauern Weizen, Hafer und Gerste ernten und dreschen. Man tut, was man tun muß; die Arbeit lenkt ab. Mitte September - der Mais ist noch gestanden, und die Wein bauern haben bereits die ersten Trauben gekostet-müssen die Sachsen flüchten. Deutsche Soldaten organisieren die Evakuierung. In Kallesdorf z. B. lautet der einfache Befehl für den 17. September 1944:„Um 10 Uhr muß jeder mit seinem Wagen aus dem Hof weg!" Mit nimmt man, was sich aufladen läßt: Vorräte, Haushaltsgeräte, Kleidung. Viel Zeit bleibt nicht, Dinge zu mustern. Notwendiges abzuwägen und Sentimentales auszuwählen. Später in Österreich dringend gebrauchte Papiere werden oft zurückgelassen, denn es ist wichtiger, sein Leben zu retten als seinen Taufschein.Außerdem ahnt man nicht, daß es keine Rückkehr

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