Politik und Alltag der Eisenwurzen ihA'\ Ein Baugrund war meist der endgültige Grund,sich in der neuen Heimatzuhausezu fühien. mehrsprachigen Klang- und Denkwelt geriet man in die oberösterreichische Dialektprovinz. Zudem folgten der soziale Absturz und die absolute finanzielle Armut.Von großen Höfen wechselte man in Barackenlager,vom geachteten Bürger wurde man zum hilflosen Bittsteller,vom gerufenen Handwerksmeisterzum herum kommandierten Hilfsarbeiter. Vereint waren die Heimischen und die Fremden im Bemühen, wieder auf die Füße zu kommen, das Leben trotz der Belastung des Krieges und der Politik der letzten Jahre weltergehen zu lassen - und auch den Stolz auf die Heimat hatten sie gemeinsam. Wir hier sowieso - und die Vertrie benen auf ihre verlorene Heimat. Diese Erfahrung fehlt jedem Eingesessenen. Für die unterschiedliche Perspektive dieser zwei Gruppen gibt es eine genaue Beobachtung einer heute in Paris lebenden rumänischen Literaturwissenschaftlerin: „Der Fremde empfindet häufig eine gewisse Bewunderung für die,die ihn aufgenommen haben,denn meistens meint er,daß sie ihm überlegen sind,sei es materiell, politisch oder gesellschaftlich. (Gleichzeitig) neigt er aber zu der Einschätzung,daß allein er eine wirkliche Biographie besitzt, das heißt ein Leben, das aus Erfahrungen besteht." Erfahrungen des Verlusts,der Überraschungen,der Brüche, der Anpassung und der Listen. Ein literarisches Beispiel dafür gibt Alois Brandstetter im Erzählband „Vom Schnee der vergangenen Jahre", in dem er sich an den Umgang mit den Flüchtlingen und Vertriebenen in seinem heimatlichen Hausruckviertel erinnert. Im Elternhaus lebten Banater.Sie hatten es gut.Zumindest meinten es alle gut mit ihnen. Dafür erwartete man von ihnen Anpassung und-ohne eigentlichen bösen Willen-auch Selbstaufgabe: „Wenn die Heimatvertriebenen von ihren Häusern und ihrem verlorenen Besitz sprachen, ernteten sie oft Verständnislosigkeit und auch mehr oder weniger milden Spott. Erzählten sie von der Schönheit und unermeßlichen Fruchtbarkeit ihrer verlorenen Heimat, dann sagten die Leute (...): Ihr übertreibt und schneidet wohl ein wenig auf. Die Wendung ,han ma g'het' wurde zu einem Neck- und Spottwort." Dazu kamen die unterschiedlichen Auffassungen von Landwirtschaft. Kaum ein österreichischer Bauer hörte auf die Ratschläge, diverse Handgriffe beim Ernten, Mähen, Dreschen oder Sauabstechen anders und vor allem geschickter auszu führen.Zum einen nicht, weil man traditionell Dinge nicht gerne ändert,wenn man sie schon immer „so" gemacht hat, und auch nicht, weil es einem dahergekom menen Flüchtling schlicht abgesprochen wurde, die Segnungen der heimischen Techniken zu verstehen. Man fühlte sich zivilisierter als die Armen aus dem Osten, ohne zu überlegen und ohne zu begreifen, daß viele dieser Menschen größere Flächen intensiver bewirtschaftet hatten. Erst mit der Zeit-zu spät- revidierten die Einheimischen ihre Meinung.Spätestens als es unleugbar war,daß die Gemüse gärten der Donauschwaben immer grüner waren, die Pflanzen üppiger gediehen und die Paradeiser früher reiften und fruchtiger schmeckten. Ca. 40% der Flüchtlinge in Oberösterreich waren Bauern bzw. daheim in der Landwirtschaft tätig gewesen. In Österreich angekommen, fanden viele davon nicht nurersten Unterschlupf und erste Wohnung bei Bauern,sondern blieben das erste Jahr oder zumindest die ersten Monate auf den Höfen beschäftigt. Im Gespräch mit Zeltzeugen aus Sierning wird offen erzählt, wie schwer es einigen angesehenen Honoratioren aus Siebenbürgen fiel, sich als landwirtschaftlicher
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