Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Elsenwurzen 221 Heimatvertriebene Fi'emder hat immer Seine Heimat im Arm von Siegfried Kristöfl Wie eine Waise Für die er das Grab sucht (Nelly Sachs) Geschichte sind Zahlen, heißt es-fälschlicherweise. Also: 1945, bei Kriegsende, befanden sich ca.3 Millionen Menschen in Österreich, die nicht hierher gehörten. Allein in Oberösterreich gab es im Mai rund 700.000 Landfremde,282.187 fremd sprachige Flüchtlinge, 27.000 Juden,134.232 Reichsdeutsche und 153.100 Volks deutsche, die zu ziemlich gleichen Teilen aus dem Gebiet der Tschechoslowakei und Jugoslawiens (ca. 40.000) bzw. aus Rumänien und Ungarn (ca. 30.000) stammten.Alle ausgesiedelt oder ausgereist,geflüchtet oder vertrieben;Tausende Häuser haben sie zurückgelassen in jahrhundertealten Siedlungen ... - Zahlen, einfach aufzulisten, nicht mehr als rohes Materiall Aber hinter jedem einzelnen Posten dieser Summen steht eine persönliche Geschichte, eine Lebensgeschichte. Jede Zahl hat ihr eigenes Schicksal. Es gibt kollektive Erlebnisse und individuelle Erfahrungen. Und was verbirgt sich hinter Bezeichnungen wie „Volksdeutsche" oder „Donau schwaben" und „Siebenbürger Sachsen"? Auch wieder ein kollektives Schicksal und viele individuelle Ausprägungen,eine differenzierte Menschenwelt. Im ersten Jahrzehnt dieses ausgehenden Jahrhunderts wurden die Begriffe „Sudetendeutsche" und „Karpatendeutsche" geprägt. Eine Wortmischung,die die verhängnisvolle Verbindung zwischen Volkstum und Siedlungsraum herstellte. Alle deutschsprachigen Menschen, die auf dem Gebiet der heutigen Slowakei lebten, im damals ungarischen Teil der Donaumonarchie, sollten sich mit nationalem Selbstbewußtsein als „Karpatendeutsche"fühlen;egal,ob sie evangelische Berg arbeiter in der Zips waren, katholische Maurer im Hauerland oder städtische Bürger in Preßburg. Nie haben sich diese Zehntausende Menschen mehr als Gruppe gefühlt als zum Zeitpunkt ihrer Vertreibung. Und wohl noch nie haben so viele Heimatvertriebene mehr über die Geschichte ihres Herkunftslandes gewußt als nach 1945 in ihrer neuen Heimat,irgendwo in Europa. Immer wieder betonen alle Heimatvertriebenen, daß sie in Frieden und guter Nachbarschaft mit den anderssprachigen Bewohnern ihrer Gemeinde und ihres Landes gelebt haben. Und alle träumten von einer Rückkehr in die eigenen Häuser und in die heimatlichen Dörfer und Städte. Keiner ist freiwillig gegangen, alle wurden sie vertrieben oder ausgesiedelt. Die „historischen" Ereignisse, der große Krieg, die veränderte politische Geographie veranlaßten sie zum Ortswechsel, zwangen sie zum Verlassen und zum Verlust, nötigten sie zu einem Neubeginn in der Fremde. Diese Fremde ist für uns Eingesessene in der Eisenwurzen oder in Oberösterreich unsere Heimat. Was wir gewohnt sind und uns lieb war, war den Vertriebenen fremd. Von der Weite der Ebenen kam man in die Enge der Täler, aus einer

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