Politik und Alltag der Elsenwurzen 217 Nach einer kurzen Phase der wirtschaftlichen Erholung in den „Goldenen Zwanzigerjahren" brachten der „Schwarze Freitag" und die darauffolgende Welt wirtschaftskrise eine tiefgreifende und langanhaltende Rezession sowie ein weiteres dramatisches Ansteigen der Arbeitslosigkeit. Die Steyr-Werke stellten im Herbst 1929 sogar die Automobilproduktion vorübergehend ein, da es auf Grund der Krise an kaufkräftigen Kunden fehlte. Verschärft wurde das Elend der Arbeitslosen durch den Umstand,daß viele, nachdem sie zu lange ohne Beschäfti gung waren,als „Ausgesteuerte"ohne jegliche Unterstützung von staatlicher Seite auskommen mußten. Die herrschende Not und die Aussichtslosigkeit der persönlichen Situation vieler Menschen jener Tage begünstigte das Aufkommen radikaler, antidemokratischer Ideen. Neben bereits vorhandenen politischen Strömungen fand der aufkommende Nationalsozialismus, besonders nach seiner Machtübernahme in Deutschland im Jänner 1933,großen Zulauf.'' Im Zusammenhang mit dem Putschversuch der Nationalsozialisten im Juli 1934, dem der österreichische Bundeskanzler Dollfuß zum Opfer fiel,fanden auch In der Elsenwurzen Auseinandersetzungen statt.Zentrum der Kämpfe war die Gegend um den Pyhrnpaß,der am Abend des 24.Juli von illegalen obersteirischen SA-Männern blockiert wurde. Bei den am darauffolgenden Tag stattfindenden Kämpfen mit Einheiten des österreichischen Bundesheeres fanden drei Soldaten, vier Nationalsozialisten und vier unbeteiligte Zivilisten den Tod.Auch in anderen Orten der Region sammelten sich illegale Nationalsozialisten, doch kam es zu keinem Blutvergießen. Besonders ruhig war die Situation in Steyr, sodaß man sogar Truppen der örtlichen Garnison zur Niederschlagung lokaler Aufstände in der Steiermark abziehen konnte. Nach dem Scheitern des Rutsches flüchteten manche Mitglieder der illegalen SA nach Deutschland; die Tätigkeit der Nationalsozialisten ging aber weiter.1935 verübten sie in Vorderstoder sogar einen Bombenanschlag, bei dem aber nur Sachschaden entstand.Im Untergrund bestanden auch viele ihrer NS-Organisationen weiter; so fanden die Heimstunden der illegalen Hitlerjugend (Hj) regen Zulauf. Gerade jungen Menschen erschien eine Angliederung des wirtschaftlich darnieder liegenden Österreich an das Deutsche Reich, in dem es praktisch keine Arbeits losigkeit mehr gab,als einzige Alternative. Daß nur eine rücksichtslose militärische Aufrüstung die Vollbeschäftigung in Deutschland ermöglichte, wurde in der Regel nicht erkannt. Der Anschluß Österreichs im März 1938 wurde daher von weiten Teilen der Bevölkerung begrüßt. Die Truppen der Deutschen Wehrmacht wurden beim Einmarsch bejubelt, und viele Häuser waren mit Hakenkreuzfahnen geschmückt. Die illegalen Nationalsozialisten, die nun offen auftreten konnten, besetzten die Schlüsselpositionen in den Gemeinden. Bei der am 10. April 1938 stattfindenden Volksabstimmung über die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" wurden in vielen Örten der Elsenwurzen nahezu 100% Zustimmung erreicht. Dieses Ergebnis ist sicher zu einem Teil Folge der überwälti genden Propaganda und des ausgeübten Drucks auf die Wahlberechtigten, mit „ja"zu stimmen,doch wurden mit dem neuen Regime auch Hoffnungen auf eine Besserung der Verhältnisse verknüpft. Für politisch Andersdenkende war in der„Volksgemeinschaft"kein Platz. Sie wurden verfolgt, verhaftet, und so mancher, wie beispielsweise ein Kommunist aus Grünau 'Uli n' NUR HITIER KANN UNt REITEN! Anti-Dollfuß-Propaganda der NSDAP, Kat. Nr.3.2.2.27. <Siti»iolf-«Sin „Anschluß"-Propaganda der NSDAP, Linz, OO. Landesarchiv
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