Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Eisenwurzen 201 Würdigen nur zu klar den oft angesprochenen „Antimodernismus"(Klueting) der Heimatschutzbewegung, jenes in der Flucht vor eigener Gegenwart gründende Beharren auf den „Normsuggestionen der Vergangenheit" (Habermas). Auf der anderen Seite wird hier ein lokales Fallbeispiel der Installation dessen gegeben, was man mit einem Schuß Bosheit eine „Bürokratenheimat" nennen könnte; und in dieser Hinsicht erweist sich der Verein (wie der Heimatschutz insgesamt) als Ausdruck jener „bureaukratischen Verwandlung",in der gewachsene gesellschaft liche Zustände von rationaler Organisiertheit abgelöst werden -für Alfred Weber im Rückblick aufden Modernisierungsschub des 19.Jahrhunderts die „eigentliche gesellschaftliche Revolution" (Weber) -, und solcherart als Produkt ebendieser Moderne, der alle Konservierungs- und Musealisierungstendenzen geschuldet sind. Den Aktivitäten in Steyr stand eine kulturpolitische Idee Pate, die - als konser vative Reform intendiert - nichts weniger als die gesamte „nostalgisch-retro spektive"(Greverus) Geisteshaltung jener Zeit subsumierte. Daß die Praxis dabei stets am Kleindimensionalen orientiert war, ist notwendige Konsequenz restaurativer Programmatik. Die Vereinskorrespondenz belegt die sich beharrlich wiederholenden Inhalte der unzähligen Eingaben: Stand in den ersten Jahren während des und nach dem Ersten Weltkrieg zeitbedingt die Sorge um den Soldatenfriedhof, der seit Kriegsbeginn in der Obhut des „Vereins Heimatschutz Steyr" stand, und ein auf diesem zu errichtendes Kriegerdenkmal Im Mittelpunkt, so dominierten später die oft von Erfolg gekrönten halbamtlichen Feldzüge gegen die „Verunzierung des Stadtbildes";sei es durch Veranlassung der Erneuerung von Gasthausschildern oder der Restaurierung alter schmiedeeiserner Grabkreuze,sei es durch Verhinderung von „Leuchtreklame",des„Einbaus von Schaukästen"oder von „Benzinzapfstellen". Zugleich war man an der „Erweckung" etwa des Stern singens und anderer „alter schöner Volksbräuche"(Steyrer Tagblatt, Nr. 291/1916) maßgeblich beteiligt; und in diesem Zusammenhang ist auch an das „Lieblingskind des Vereins" (Tätigkeitsbericht f. d. Jahr 1917/18), das „Steyrer Kripperl", zu erinnern,und das nicht nur wegen des Bekanntheitsgrades dieses 1914 vom Verein angekauften und seitdem mit Unterbrechungen bis heute bespielten Figuren theaters: Als „in der treuen Überlieferung alten bodenständigen Volkstums in Versen, Liedern, Schnurren, Trachten und Bräuchen [...] bedeutender erzieherischer und heimatlicher Wert"(Geramb,Zack)steht es exemplarisch für die Hinwendung des Heimatschutzes zu einer „Volkskultur", die - unter wissen schaftlicher Absegnung der sich allmählich auch akademisch etablierenden Volkskunde-als Inbegriff heimatlicher Integrität gesehen wurde. Die Volkskunde wird hier nicht von ungefähr ins Spiel gebracht. Sie war jene Disziplin, die sich institutionell wie personell in unmittelbarer Parallele zur Heimatschutzbewegung entwickelt und mit dieser gemeinsam jene „Nationali sierung von Heimat" (Bausinger 1982) in die Wege geleitet hatte, die über alle Zäsuren der österreichischen Geschichte hinweg ihre politische Verwertbarkeit nie verloren hat. Der neutral-unpolitische Status,den die Heimatschutzorganisationen stets für sich in Anspruch nahmen, wird ja bereits durch die rege Anteilnahme höchster politischer Würdenträger fragwürdig. Die mit einigen Unterbrechungen zwischen den Jahren 1921 und 1936 von den jeweiligen regionalen und lokalen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2