Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

200 Politik und Alltag der Eisenwurzen ®Süi3[?<3frKI©[} Ansichtskarte aus der Festgabe des „Heimatschutz"-Vereins in Steyr, igii katholisch-konservative, dem Verein ansonsten durchaus wohlgesinnte „Steyrer Zeitung" vom 21.12.1916). In diesem Sinne hatte sich auch jener Architekt geäußert, dessen geplanter Bau eines Beamtenwohnhauses für die Waffenfabrik im selben Jahr in Heimatschutz kreisen auf heftige Kritik gestoßen war:„Wichtiger erscheint es, gute Wohnungen den Menschen zu schaffen,selbst auf die Gefahr hin, dass ein überempfindliches Auge einen lieben, vertrauten Blick verliert." Die sich in dieser Angelegenheit ergebende scharfe Kontroverse soll beispielhaft für die Art des Vorgehens der Steyrer Heimatschützer angeführt werden. Der Gestalter jener beanstandeten Gebäude (Dukartstraße 7/9) war nicht irgendwer: Der Wiener Architekt Othmar Leixner von Grünberg war Kunstschriftsteller, Lehrer für Baustillehre, Perspektive, architektonische Formenlehre und Freihandzeichnung an der Staatsgewerbe schule, hielt Vorträge an der Akademie und arbeitete nach ausgedehnten Studienreisen u. a. im Baudepartement der nö. Statthalterei. Entsprechend empfindlich war seine Reaktion gegenüber den diversen „Begehren" des Vereins auf Abänderungen seines architektonischen Entwurfs, und entsprechend brüsk beschloß er, über die „unglaubliche Anmaßung" solcher „Laienkritik" verärgert, schließlich die wortreiche Korrespondenz:„Was die Bauberatung betrifft, so habe ich mich vor jähren in München mit der Frage befasst, wo Sie, meine Herren, noch gar keine Ahnung davon gehabt haben.- Die Bauberatung hat einzig und allein den Zweck,bei Plänen,die von kleinen Baumeistern oder Maurermeistern kommen, verbessernd einzugreifen,selbstredend auch hier durch die Hand von Architekten, nicht von Laien.- Eine Bauberatung von Laien über Künstler kennt man aber nur in Steyr." Der Grund für die Erregung über Leixners „heute traditionell wirkende Architektur" (Achleitner) und für das rechthaberisch insistierende Vorgehen der Steyrer Heimatschützer mag zunächst darin liegen, daß Leixner, wenig originell genug, einfach gründerzeitlich en miniature gebaut hat. Er projektierte, wie immer bescheiden in quantitativem wie auch qualitativem Maßstab, ein städtisches Bauwerk- und trafdamit den Nerv des Heimatschutzgedankens,dessen entschei dendes Motiv der kulturpessimistische und naturromantische Aufstand gegen die Industrialisierung und die damit einhergehende Urbanisierung gewesen ist und der in architektonischer Konsequenz eine „landschaftsgebundene" Bauart forderte. Darüber hinaus mag sich in der Rigidität, mit der hier oft alleinige städteplanerische Kompetenz beansprucht worden ist, auch jener „obskurantistische" Grundzug zeigen, der nach einem Wort Thomas Manns „alle Flucht in lebensleer gewordene historische Formen" bestimmt. Und zugleich stößt man, wenn man die Voraussetzung für eine moderne Denkmalpflege in der Verabschiedung normativer Ästhetik und normativen Geschichtsverständnisses sieht (Huse), auch auf die Unzulänglichkeit seinerzeitiger heimatschützerischer Ortsbildpflege insgesamt: in Kanonisierung bestimmter Bauformen folgte sie einem „definierten Koordinatensystem sich selbst genügender ästhetischer Axiome und rabulistischer Detailverliebtheit"(Brückler). In der Haltung der Steyrer Vereinsfunktionäre spiegelt sich eine den gesamten Heimatschutz prägende Ambivalenz:Zum einen zeigt ihr Restaurationsverlangen, ihre Sorge um die Wiedereinsetzung und Wiederherstellung des Alten und

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