Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

198 Politik und Alltag der Eisenwurzen Steyrer Vereinsheimat. Ein Blick auf die österreichische Heimatschutzbewegung von Herbert Nikitsch „Heimat",so wird uns gesagt, hat Konjunktur. Politiker verschiedenster Couleur, Sonntagsredner der medialen wie der wissenschaftlichen Öffentlichkeit,Trachten sänger oder als kritisch sich verstehende Heimatfilmer gelten als ihre Agenten. Gemeinsam ist diesen, bei aller unterschiedlicher Provenienz, die Absage an eine Welt,die als unübersichtlich beschrieben wird und sich in ihrem Zustand angeblich den fragmentierten Lebensverhältnissen der Moderne verdankt. Damit reprodu zieren sie in nur unwesentlicher,wenngleich nicht bewußterVariation desArguments die Haltung jener Bewegung, der so manches an klischeehafter Rhetorik zum Thema „Heimat" seine Existenz verdankt und deren historisches, soziales und politisches Ambiente hier am Beispiel des „Vereins Heimatpflege Steyr" nachge zeichnet werden soll. Er ist, was Zeit, Ort und Akteure anlangt, nicht nur ein frühes und bis heute überlebendes,sondern zugleich ein nicht untypisches Exempel des österreichischen Heimatschutzes. 1910, im Gründungsjahr des Vereins, war die alte Eisenstadt jenseits ihres berühmten malerischen Stadtkernes längst von expandierender Industrie geprägt, von Werndl&Comp.zu einem Zentrum der europäischen Waffenindustrie gemacht und mit dem Zuzug einer allmählich zu politischem Bewußtsein kommenden Arbeiterschaft konfrontiert worden. Steyr hatte Arbeiterunruhen, Streiks, Versammlungen erlebt und die organisatorische Entwicklung der Sozialdemo kratie,die einiges später mit der Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechtes die leitende und beherrschende Kraft der Stadtregierung werden sollte (Stockinger). Und konsequent ins Bild fügte sich auch Herkunft und Stand derer, die für den 6. April 1910 in den renommierten „Steyrerhof" zur Gründung der „Vereinigung ,Heimatschutz' in Steyr" baten: als Arzt, Landtagsabgeordneter, „k.k.Professor",Stadtpfarrer,Baumeister,Privatier,„Kunstschriftsteller"oder Fabri kant und „k.u.k. Hoflieferant" empfahl man sich als angesehenes Mitglied der Steyrer Bürgerschaft. In seiner gesellschaftlichen Zusammensetzung ist der Steyrer Verein so paradigmatisch für jene anfangs des Jahrhunderts zahlreich entstehenden Heimatpflegevereinigungen, in denen ein großteils kleinstädtisch saturiertes und politisch vorwiegend deutschnational geprägtes Bürgertum die ästhetischen, „sonntäglichen" (Köstlin) Qualitäten des Heimatortes hütete und - in doppelter Frontstellung zur kapitalistischen Internationalen wie zum sich bedrohlich organi sierenden „vaterlandslosen" Proletariat-,angesichts wirtschaftlicher und gesell schaftlicher Umschichtungen im lokalen Gemeinwesen zunehmend verunsichert, auf Gefühlig-Überschaubares,aufzu beruhigender Selbstbestätigung Einladendes, auf die „Besänftigungslandschaft" Heimat (Bausinger 1984) regredierte. Dabei relativiert die Parteizugehörigkeit der einzelnen Ausschußmitglieder-sie waren

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