Politik und Alltag der Eisenwurzen 195 „Du hast uns vertraut dies heiligste Gut,/ du willst, daß wir's schirmen mit Eisen und Blut reimte der steirische Priesterdichter Ottokar Kernstock in seinem 1915 entstandenen Kriegsgedicht „Zum Gebet". Man beschwor auf eisernen Kriegsbechern mit den Kopfbildern Kaiser Wilhelms I I. und Franz Josephs I. und mit dem Spruch „Den eisernen Becher, den vollen, weiht / den eisernen Helden der eisernen Zeit", die „eiserne Treue" der Bundesgenossen. Man verlieh „Eiserne Kreuze" und erntete eisenbedeckte Schlachtfelder und riesige Friedhöfe. Allerorten benagelte man 1915 voller Kriegsbegeisterung „eiserne Männer". Mit Nägeln übersäte Wehrmänner gab es in der verschiedensten Form,als„Wehrmann in Eisen" in Wien,als „eiserne Ritter" in Graz, Linz oder Krems, als Nagelkreuz in Wien-Oberlaa, als Schild in judenburg, als Bär in Berndorf, als Herzog Tassilo in Bad Hall, als Kaiser Maximilian in Wels, als eiserner Panther in Steyr, als eiserner Schichtturm in Eisenerz, als „Eiserner Hindenburg" überall im Deutschen Reich. Man benagelte Kreuze, Tische, Baumstrünke, Schilde, jeder, der Kriegsanleihen zeichnete, durfte einen eisernen Nagel in das Holz schlagen und damit ein Marterl in der Tradition der alpenländischen, heimatlichen Bildstöcke schaffen. Der Wiener „Wehrmann in Eisen" wurde im März 1915 als „temporäres" Denkmal auf dem Wiener Schwarzenbergplatz aufgestellt, den Weg zum Süd- und Ost bahnhof,also an die Front, überblickend.1934 wurde er wieder reaktiviert, um das Heldendenkmal im Äußeren Burgtorzu finanzieren, bis er1937seinen endgültigen Platz neben dem Wiener Rathaus bekam. Der Wehrmann bestand aus einem Holzkern,der durch das Einschlagen einzelner Nägel allmählich mit einer eisernen Rüstung überzogen wurde. Die Nägel wurden von der Bevölkerung eingeschlagen und bedeuteten jeweils eine Geldspende:1915 für die Witwen und Waisen der im Krieg Gefallenen,1934 für das Österreichische Heldendenkmal.s Die Tagespresse, etwa die Neue Freie Presse, widmete dem Vorgang des Nägeleinschlagens eine geradezu ermüdende Aufmerksamkeit: „Gestern haben 119 Personen Nägel in den ,Wehrmann in Eisen' eingeschlagen", schrieb die NFP am 1. Sept.1915 auf Seite eins.ß AdolfWagner von der Mühlschufden Linzer Genagelten Wehrmann,eine Holzfigur in Ritterrüstung mit Schwert, das linke Bein nach vorne gestellt, die Hände den Griff eines mit der Spitze nach unten schauenden Schwertes umfassend, die Rüstung mit Nägeln beschlagen. Der eiserne Wehrmann war 1915 in einem Pavillon auf dem Linzer Hauptplatz aufgestellt worden. Am 26. Mai 1915 erfolgte die feierliche Enthüllung,jeder, der die Kriegsanleihe zeichnete,durfte einen eisernen Nagel einschlagen, als erster der damalige Statthalter Baron Handel. Die Wehrmannaktion leitete der Chefredakteur der Tages-Post Dr. Karl Ritter von Görner. Klemens Brosch entwarf das Gedenkblatt für den Nagelschlag. 1916 wurden kleine Nachbildungen des Wehrmanns zum Verkauf gebracht. Das Rein erträgnis betrug 46.550 K 43 h.^ Dem Wiener und Linzer „Wehrmann in Eisen" folgte eine Welle von Nagelstand bildern in ganz Österreich. Man knüpfte bewußt,in völliger Leugnung der Realität der Materialschlachten des Ersten Weltkriegs, an die von Kopf bis Fuß in Eisen gerüsteten Rittersleute an: die heiligen und die letzten Ritter, die Helden der Kreuzzüge und die Verteidiger des Abendlandes, den hl. Georg, den ritterlichen Kämpfer gegen das Böse, an Kaiser Maximilian, den „Letzten Ritter", oder an „Wehrmann in Eisen", Linz, Stadtmuseum Nordico
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