Land der Hämmer - Heimat Eisenwurzen

Politik und Alltag der Eisenwurzen 189 gegen Schwindsucht, sondern auch als Abtreibungsmittel verwendet. Ähnliches gilt für das beim Abkühlen der glühenden Schmiedestücke verwendete Lösch wasser. Auf ganz unterschiedlichen kulturellen Ebenen gibt es eine enge Verbindung zwischen der Schmiedekunst,der Heilkunst und der Kultur. Bis heute spricht man, wenn auch meist ein wenig abfällig, von den Vers- und Reimeschmieden. In der antiken wie in der biblischen Tradition gelten die Schmiede als Erfinder der Musik. Lamech, der Sohn Kains, hatte drei Söhne: Jabal, den Erfinder der Zelte und Herden;Jubal,den Erfinder der Musikinstrumente,und Tubalkain,den Erfinder der Kupfer- und Eisenarbeit. „Wer hat die Musik erfunden? / Pythagoras der große Philosoph. / Wie ist die Musik erfunden worden? / Durch den Klang der Hämmer",steht in einem hoch mittelalterlichen Lehrbuch.2 Die Legende verlegt die dem Pythagoras zugeschrie bene Entdeckung der musikalischen Konsonanzen in eine Schmiede. Blech macht Lärm,ob als Trommel oder als Teufelsgeige, als Maultrommel oder als Blasinstru ment. Die „Blechmusik"gilt heute nahezu als Inbegriff der volkstümlichen „Heimat musik". Musik und Schmiedekunst stehen zweifellos in einem uralten, ambivalenten Zusammenhang: Musikanten wie Schmiede hatten häufig eine heimatlose Außen seiterstellung,die schmiedenden und musizierenden Nomadenstämme in Arabien, Palästina und Persien ebenso wie manche Gruppen der indischen Unberührbaren und die in Europa wandernden,mit Schmiedehandwerk,Musik und Roßtäuscherei in Zusammenhang gebrachten Roma und Sinti, die bis heute auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Sozialordnung rangieren. Auch die ambivalente soziale Stellung der afrikanischen Schmiede wie ihre Beziehung zur Musik ist in der Völkerkunde wohlbekannt. Die über ganz Eurasien verbreitete soziale Einstufung von Gruppen, die sich als Musikanten, Viehhändler und Schmiede betätigten, ist der Ausdruck der Ambivalenz, die dem Schmied, der als Werkzeugmacher, Sänger, Spielmann, Wunderheiler, Zauberer und Wahrsager merkwürdige Künste beherrschte, vom westlichen Afrika bis Nordindien entgegenschlug. Der hl. Eligius heilt Tafelbild, um 1540, ein Pferd; Kat. Nr. 1.8.3.1 Mit eiserner Hand Der Einsatz von eisernen Geräten war für die hochmittelalterliche Rodung, die Kultivierung und die land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Landes ent scheidend. Eiserne Geräte waren dafür unverzichtbar. Ohne eiserne Werkzeuge kamen auch die meisten Handwerke nicht aus. In den schwarzen Küchen der Wohnhäuser brauchte man die großen, übers Feuer gehängten Kessel und die eisernen, ins Feuer gestellten Pfannen. Die Räder der Fahrzeuge und die Hufe der Zugtiere wurden mit Eisen beschlagen. Was Heimat war, war mit Eisen erarbeitet. Andererseits begann im Hochmittelalter immer mehr der Ritter, der Mann in Eisen, als Verteidiger der „Heimat" und als „Kreuzfahrer" hervorzutreten. Männer in Rüstung wurden zum Symbol, vom hl. Georg bis zum hl. Florian, von den zahl reichen romantischen Rittergeschichten biszum „letzten Ritter" Kaiser Maximilian,

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2