i82 Glauben in der Eisenwurzen Wie mein Großvater evangelisch wurde - Die Konvertierung eines Nagelschmiedes aus der Eisenwurzen von Reinhold Krater „Mein Großvater, Nagelschmied zu Sierning in Oberösterreich,stammte aus einer streng katholischen Familie. Sein Bruder Andreas war Schuhmacher. Auf der Wanderschaft kam er nach Preußen, lernte dort das evangelische Leben kennen und trat nach langen inneren Kämpfen zu Schöneck in Westpreußen in die evangelische Kirche ein. Als er wieder heimkehrte, brachte er als kostbarsten Schatz die Lutherbibel in seinem Felleisen mit. Seine Schwestern entdeckten das Buch. Zuerst großes Entsetzen, allmählich aber sammelte sich die ganze Familie mit Ausnahme des Vaters um das Buch." So steht es in den handschriftlichen Tagebuchaufzeichnungen des Karl Schiefermair, katholischer Pfarrer in Rottenmann von 1900 bis 1946. Derartige Konver tierungen der Bevölkerung vom katholischen Glauben zum Protestantismus waren in der nördlichen Eisenwurzen,insbesondere im Raum Sierning und Bad Flall, keine Seltenheit. Sie erfolgten zum Teil aus religiösen Motiven,zum Teil aber aufgrund der hohen Zehent- und Steuerlasten.Vor allem die Bauern sahen daher im Protestan tismus einen Ansatzpunkt zur Erneuerung der gesellschaftlichen Strukturen. Bei den Flandwerkern wiederum war die Gesellenwanderung, die sie in viele Gebiete Mitteleuropas brachte,oftmals Auslöser für eine Konvertierung, weil sie dabei die neuen Lehren Luthers kennenlernten. Eine erste Fläufung der Übertritte dürfte es in der Eisenwurzen bereits wenige Jahre nach der ersten großen Bauernerhebung gegeben haben,als es in Sierning sogar zu einem Aufstand protestantisch gesinnter Untertanen kam (Sierninger Flandel, 1588-89),weil man die Maßnahmen der Rekatholisierung ablehnte. Der Aufstand dehnte sich schließlich auf weite Teile der Eisenwurzen aus (vgl. Fiaider 1987, S. i93f). Auch die von Maria Theresia verfügte Zwangsumsiedlung der Evange lischen nach Siebenbürgen verhinderte nicht, daß Menschen weiterhin zum Protestantismus konvertierten.Selbstzur Zeit des Vormärz,als der Bund von Staat und Kirche („Thron und Altar") die Rechte der Protestanten erneut einschränkte, kam es immer wieder zu Konvertierungen, wie das Schicksal dieses Nagel schmiedes zeigt. Selbstverständlich waren diese Konvertierungen früher oftmals mit Schikanen und Flindernissen verbunden.So schreibt Schiefermair, daß sein Großvater, nachdem er dem Pfleger seinen Übertritt gemeldet hatte, mit 7Tagen Arrest und eintägigem Nahrungsentzug bestraft wurde. Man wollte dadurch ein Geständnis erpressen, wonach der Großvater Schiefermairs von anderen Personen zum Übertritt über redet worden wäre. Der Nagelschmied wanderte daraufhin mit seiner Schwester Elisabeth kurzfristig nach Preußisch-Schlesien aus, wo er formell zum evange lischen Glauben übertrat;„Schon am 29. Juli 1838 wurde er mit seiner Schwester
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