i66 Glauben in der Eisenwurzen „Sie lügen, schwören und betrügen nicht.' Die Waldenser in der Eisenwurzen von Markus Himmelbauer Das gotische „Bummerlhaus" auf dem Stadtplatz ist das weitum bekannte Wahrzeichen der alten Eisenstadt Steyr. An dieser Stelle soll sich im 14. Jahr hundert eine Hausgemeinschaft, eine „Schule" der Waldenser, befunden haben. Die Waldenser waren eine religiöse Erneuerungsbewegung des Mittelalters. Ihren Namen hat sie von ihrem Begründer Waldus, einem Kaufmann aus dem süd französischen Lyon. Um 1170,eine Generation vor Franz von Assisi,faßte Waldus den Entschluß,seinen Reichtum zu verteilen und fortan als Laienprediger durchs Land zu ziehen. Dazu ließ er die Bibel in die Volkssprache übersetzen.Als Zeichen der herangebrochenen Endzeit waren bei den Waldensern Frauen und Männer in Liturgie und Verkündigung gleichgestellt. Dem herrschenden Lehenssystem entzogen sie die Loyalität,indem sie unter allen Umständen den Eid verweigerten,jedwede Art von Gewalt und den Gebrauch von Waffen lehnten sie ab. Aufder Grundlage ihres intensiven Bibelstudiums verwarfen die „Armen von Lyon" alle kirchlichen Einrichtungen, die nicht durch die Heilige Schrift sanktioniert waren.So glaubten sie auch nicht, daß der Papst auf Erden die gleiche Autorität wie Petrus besitze. Sie leugneten die Existenz des Fegefeuers und damit auch den Nutzen von Opfern und Gebeten für die armen Seelen. In Okzitanien und in den Städten Oberitaliens fand das Gedankengut schnelle Verbreitung, und schon bald im 13. Jahrhundert lassen sich Waldenser auch nördlich der Alpen nachweisen. 1266 lokalisiert ein Kleriker aus Passau, dessen Name uns nicht überliefert ist, waldensische Häretiker an 42 Orten zwischen Wien und dem Salzkammergut. In und um Steyr waren ihre Gemeinschaften über mehrere Generationen hinweg bis zu ihrer gewaltsamen Auslöschung um 1400 aktiv. Allein für Neuhofen an der Krems überliefert der Chronist die Zahl von zehn waldensischen Hausgemeinschaften (scholae). Die kleinen Leute und ihr Gott Woran kann man einen Ketzer erkennen? Die zeitgenössische kirchliche Quelle des Passauer Klerikers identifiziert sie als die tugendsamsten Menschen im Land. Auffallend sachlich ist die Darstellung,im Unterschied zu späteren Unterstellungen von Zauberei, Satanskulten oder sexuellen Ausschweifungen.„Häretiker erkennt man an ihrem Verhalten und ihren Reden.Sie sind leidenschaftslos und besonnen. Sie treiben keinen übertriebenen Aufwand mit ihrer Kleidung und meiden extravagante oder gemeine Kleider. Sie treiben keinen Handel, um nicht lügen.
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