Geschichte der Eisenwurzen 99 beherrschten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den österreichischen Markt mit Stangenwaffen, mit langen und kurzen Spießen, Helmbarten und Cousen. Die Riesengeschütze, die im 15. Jahrhundert erzeugt wurden, dienten mehr dem Prestige ihrer Besitzer als der Bedrohung von Feinden. Der „Pumhart von Steyr", heute im Heeresgeschichtlichen Museum Wien, mit einer Gesamtlänge von 255 cm,einem Kaliber von 88,2 cm und einem Gewicht von ca. 7 bis 8 Tonnen, verschoß Steinkugeln von etwa 700 kg Gewicht oder mehr,je nach verwendeter Steinart. Es scheint sicher,daß dieses imposanteste erhalten gebliebene Beispiel eines geschmiedeten Großgeschützes aus dem österreichischen Raum, wenn nicht direkt in Steyr, so doch in einer oberösterreichischen Schmiede hergestellt wurde. Die Reichweite dieser großen „Büxen", wie das Geschütz in einer Kostenaufstellung der Stadt Wien 1477 bezeichnet wurde,muß,wie sich aus dem Mißverhältnis zwischen Pulverkammer und Geschoßgewicht ergibt, sehr gering gewesen sein, so daß man mit Recht annehmen kann, daß der Mörser haupt sächlich für Prestigezwecke gedacht war und nie wirklich zu Kriegszwecken zum Einsatz kam. Die kunstvolle Fertigungstechnik aber stellt einen der Höhepunkte oberösterreichischer Schmiedekunst dar und macht den Pumhart von Steyr zu einem der bedeutendsten Zeugnisse spätmittelalterlicher Eisenwaffen fertigung. Am Beginn der Neuzeit besaß die Eisenwurzen vortreffliche Voraussetzungen für eine leistungsfähige „Rüstungsindustrie". Da man in der Geschützfertigung im frühen 16.Jahrhundert aberzunehmend zu Bronze als Ausgangsmaterial überging, wurde die Kanonenerzeugung nicht weitergeführt. Allerdings wurden Handfeuer waffen immer wichtiger. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand in Steyr ein neues Zentrum der Massenfertigung von Gewehren. Es begann mit der von einigen Bürgern 1594 begründeten „Gesellschaft der Rohr- und Büchsen handlung in Steyr". Diese Gesellschaft wurde zwar bereits 1602 wieder aufgelöst; die weitere Tradition der Steyrer Gewehrerzeugung wurde aber von diesem Konkurs nicht beeinträchtigt. Der Steyrer Gastwirt Stephan Grafhaider richtete 1639 in Steyr/Vogelsang eine Rohrschmiede ein und begann mit der Produktion von Gewehrläufen. Der Steyrer Bürgermeister Johann Egger von Marbach baute eine Plattnergroßwerkstätte und eine nahezu die gesamte Palette des Rüstungs wesens umfassende Waffenproduktion auf. Die teils fabriksmäßig,teils im Verlagssystem betriebene Waffenproduktion erfuhr durch Maximilian Luckner und dessen Schwager Georg Mittermayr in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine entscheidende Ausweitung. Sie kauften Grafhaiders Rohrschmiede und errichteten in Unterhimmel einen Rohrhammer. Mittermayrs Sohn Hans Ludwig Mittermayr, geadelt als „von Waffenberg",der mit seinen Waffenlieferungen entscheidenden Anteil an den Siegen über die Türken in den achtziger Jahren des 17.Jahrhunderts hatte,war so erfolgreich, weil er bereits komplette Waffensysteme, Gewehre samt Zubehör, Pistolen, Piken, Degen und Säbel, Kürasse und sonstige Ausrüstungsgegenstände, anbieten konnte. Nach dem Tode Mittermayrs im Jahr 1692 übernahm sein früherer Geschäftsführer Benedikt Schöttel die Rohrschmiede und das Waffengeschäft und belieferte die habsburgischen Zeughäuser. Zwei Helmbarten von Pankraz Thaller, 2. Hälfte 16. Jh., OÖLM m Das Wappen von Johann Ludwig Mittermayr von Waffenberg, Detail aus der Monstranz der Steyrer Stadtpfarrkirche, Kat. Nr. 1.8.1.2.
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