Zusammenfassend lässt sich fest stellen, dass im Verlauf der 90erJahre spezifische kulturelle Produk tionskontexte erprobt und gefestigt werden konnten, die maßgeblich durch die Eigenaktivität einer jungen Generation von Künstlerinnen und Kuratorinnen geprägt wurden. Innerhalb dieses teilautonomen Bereiches des Kunstfeldes wurden die Rollenkonzepte der Künstler innen, Kuratorinnen und Theore tikerinnen neu dimensioniert, die Kunst selbst als arbeitsteiliger Prozess thematisiert und mit der Form der Ausstellung experimentiert. Dieser Prozess schuf neue Identitäts angebote für die Produzentinnen und den Eigenwert einer Kunst praxis, der nicht nur auf die Ideale eines internationalen Kunstmarktes hin ausgerichtet ist. Das institutio nelle Gefüge von Kunstvereinen, Kunsthallen, Kunstinitiativen, temporären Ausstellungsorten, Biennalen und Symposien bot Kontinuität und ermöglichte einen international funktionierenden Aus tausch. Diese parallele Ebenezum marktgeprägten Kunstgeschehen hat zahlreiche Anschlussstellen zu anderen dynamischen Bereichen der kulturellen Produktion. Das Produkt Kunst, das in diesen Pro duktionskontexten erzeugt wird besteht nicht nur aus Kunstwerken. Auch die Diskussionszusammen hänge,Texte und Kataloge, die soziale Aktivierung des lokalen Besucherumfeldes, Kontroversen und Lobpreisungen in den Medien, der Kontaktzu Kuratorinnen und Künstlerkolleginnen..., sind Leis tungen,die in diesen Zonen von Intensitäten erarbeitet wurden und weiterhin erarbeitet werden. In Steyr entstand mit der Kunst initiative ein Knotenpunkt in diesem Netzwerk dezentraler Kunstorte. Die Lage abseits der Kunstmetro polen mit ihren teilweise unüber schaubaren kulturellen Angeboten war für die inhaltliche Arbeit in Steyr und - paradoxer Weise(?)- auch für die internationale Wahr nehmung in Fachkreisen ein Vorteil. Die Zentren waren sowieso von den dominierenden Institutionen be setzt und die Leistungen dieses kulturellen Produktionsbereiches waren vielfach absehbar. Spannend und herausfordernd gestalteten sich die wildwuchernden Aktivitäten einer beweglichen Szene,deren Innovationskraft nach und nach auch für die etablierten Kräfte von Interesse wurde. Entlegene Kunst orte sowie die Arbeit von jungen Künstlerinnen und Kuratorinnen rückten in das Blickfeld einer grö ßeren Kunstöffentlichkeit und auch die herkömmlichen Werthierarchien gerieten dadurch in Bewegung. Was aber die Arbeit von Kunstini tiativen wie jene in Steyr, neben der Aufwertung der Peripherie und der Etablierung entsprechender Arbeits kontexte mit bewirkt hat, war die Neudimensionierung künstlerischer Arbeit. Sie hat das eigene Selbst verständnis der Künstlerinnen und Wahrnehmungsweisen des Kunst publikums mit verändert. Ein nicht unwesentliches Nebenprodukt war dabei die Bildung kultureller Kom petenz für all jene, die ihre eigene Zeitgenossenschaft und zeitgenös sische Kunst gemeinsam denken und ein Interesse an der Erhaltung der Vielfalt künstlerischer Aktivi täten haben. Diese Vielfalt ist nicht nur auf die individuellen künstlerischen Ar beiten bezogen sondern strukturell als komplementärer Entwicklungsprozess gegen die gleichrichtenden Marktkräfte und die Themen konjunkturen des dominierenden Ausstellungsbetriebes gedacht. Die lokal vernetzten Produktionsorte, wie beispielsweise jener in Steyr, schufen eine strukturelle Vielfalt und ein entsprechendes Veränderungs potenzial, die beide essenzielle Res sourcen in unseren Gesellschaften darstellen.
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