wissen, das ist keine Kunst; ich habe nichts gelernt und weiß doch eine Menge,da kann man von Kunst reden. - Ich weiß,daß die Hoffnung grün ist, weil sie dem Menschen grüne Zweige vorzuspiegeln hat, auf die er nie kommt;ich weiß,daß die Beständigkeit blau ist, weil sie der Dunst ist, den ein unbeständiges Wesen dem andern vormacht;ich weiß, daß die Nacht schwarz ist, weil sie in der Trauer geht, um ihren Papa, um den gestrigen Tag,den sie eben begraben; ich weiß,daß der Esel grau ist, bloß weil er als boshaftes Vieh gern •bon mot-versinnlicht,daß das Grausein nicht vor Thorheit schützt- ich weiß,daß die Unschuld weiß ist, ich weiß aber auch,daß niemand weiß, warum sie sich diese heikliche Färb als Lieblingsfarbe gewählt hat; von diesem Wissen kann man schon das schönste Kopfweh kriegen, ein Zeichen,daß es nicht zu wenig,sondern eher schon zu viel ist.- Die Kunst ist und bleibt einmal eine LeidenschaftI Machen aber Leidenschaften glück lich? Konträrl Strenge Moralisten sagen: um glücklich zu sein, muß man alle Leidenschaften aus sich verdam men. Dieser Rat ist ungefähr so gut, als wie wenn man einem,der über enge Stiefel klagt, sagt: er soll sich beide Füß amputieren lassen, damit er kein Verdruß mehr mit dem Schuster hat.- Eigentlich hab ich nur eine Leidenschaft, nämlich die, daß ich gern allen mei nen Leidenschaften nachhänge. Und statt dem sollt ich sie besiegen? Nein, das ist mir ein viel zu trauriger Tri umph,wo man selten verdiente Anerkennung hat da von,denn die Leut sagen von einem Besieger seiner Leidenschaften nie:„Das war ein starker Geist",sondern sie sagen:„Das müssen schwache Leidenschaften gewesen sein".- Wenn ich nur auf diese Art glücklich werden kann,dann war es wohl besser für mich, ich wäre ein unerfüllter Wunsch meiner Mutter, eine ge haltlose Idee meines Vaters geblieben, statt daß ich zum wirklichen Dasein geboren ward.- Ich verfall aber schon wieder in den Verzweiflungston; macht nichts, es ist eine ganz gutartige, amüsante Desperation, in der ich Tollheit auf Übereilung, Wahnsinn auf Thorheit häu fe und mir auf diese Art ein angenehmes Alter bereite, denn das ist ja das Vergnügen der alten Tage,daß man alles besser einsieht, daß man sich einbildt, gscheiter zu sein, und daß man sich mit dem Gedanken foppt, wenn ich noch einmal jung werd,jetzt thät ich anders han deln.- Dieses Vergnügens beraubt man sich offenbar, wenn man in der jugend schon gescheit und vernünf tig war-also bleiben wir bei dieser zu interessanten Thorheiten hinreißenden Verzweiflung, weil's wirklich gar keine so üble Verzweiflung ist. aus: Johann Nestroy Sämtliche Werke Historisch-kritische Ausgabe von Jürgen Hein,Johann Hüttner, Walter Obermaler und W.Edgar Yates
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